"Der Kunde wünscht es einfach nicht":Bank und Versicherung passen nicht zusammen

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Die Schweizer Großbank Credit Suisse lässt das Allfinanz-Konzept fallen.

Von Thomas Kirchner

Mit dem Umbau der Konzernstruktur, den die Credit Suisse (CS) vergangene Woche bekannt gab, hat sich die zweitgrößte Schweizer Bank nun auch offiziell von der Strategie verabschiedet, Bank- und Versicherungsgeschäft unter einem Dach zusammenzuführen.

Die Winterthur-Versicherung wird zur eigenständigen Einheit und entweder verkauft oder, was Beobachter für wahrscheinlicher halten, erneut an die Börse gebracht, wo sie bereits vor der Übernahme notiert hatte.

Sie gilt, wie Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel in dieser Woche sagte, als "Finanzinvestition" - mehr nicht, soll das heißen.

De facto hatte die CS die Idee, Bank und Versicherung zusammenzuschließen und so einen Allfinanz-Konzern zu bilden, schon vor zwei Jahren verworfen.

Damals musste Thomas Wellauer, der stärkste Verfechter dieses Gedankens, gehen und die Leitung der Sparte Financial Services an Grübel übergeben, dem das Konzept nie gefallen hatte.

Auch der ehemalige Konzernchef Lukas Mühlemann war zunächst skeptisch gewesen "Wer nur ein Glas Milch will, braucht nicht gleich die ganze Kuh zu kaufen", sagte er noch im Frühjahr 1997 und meinte: Man kann mit einer Versicherung auch zusammenarbeiten, ohne sie kaufen zu müssen.

Als Pioniertat gepriesen

Kurz darauf griff die Credit Suisse dann aber doch zu bei der Winterthur. Zwar ging es auch darum, die Versicherung den Fängen des Investors Martin Ebner zu entreißen und die dünne Eigenkapitaldecke zu stärken, doch Wellauer und Mühlemann gelang es, die Akquisition als Pioniertat zu verkaufen.

Ihre Argumente beeindruckten zunächst: Wenn ein Konzern alle Geldfragen umfassend abdecken könnte, ergäben sich einerseits Synergien und damit geringere Kosten, andererseits höhere Umsätze. Versicherungskunden würden dann Investment-Fonds kaufen, Bank-Klienten Lebensversicherungen.

Wellauer träumte davon, das Modell im großen Stil europaweit aufzuziehen. Der Begriff "Allfinanz" war Mode geworden. In der Schweiz verstärkte sich die Zürich-Versicherung mit den US-Vermögensverwaltern Scudder und Kemper, die Rentenanstalt kaufte die Banca del Gottardo.

Ähnlich agierten andere Finanzhäuser in Europa und den USA, die den Zug nicht verpassen wollten.

Zumindest für die CS zerplatzte der Traum spätestens in dem Moment, als sie Milliarden-Defizite der Winterthur ausgleichen musste, die während der Baisse unter ihrer hohen Aktienquote litt.

Kosten statt Synergien

Jedoch schon vorher war klar geworden, dass sich die erhofften Synergien nicht einstellen würden, im Gegenteil: Zunächst einmal verursachte "Allfinanz" erhebliche Integrationskosten.

Auch das erhoffte Umsatzplus blieb aus. "Das Problem liegt auf der Nachfrageseite", sagt Christoph Ritschard von der Zürcher Kantonalbank. "Der Schweizer Kunde hat das nicht gewünscht."

Dahinter steckten kulturell verwurzelte Überzeugungen: Policen liefert die Versicherung, Finanzberatung die Bank - diese Trennung zu überwinden scheint, zumindest in der Schweiz, kaum möglich zu sein. Hinzu kommen die unterschiedlichen Vertriebsphilosophien. Versicherungen gehen offensiver auf Kunden zu als Banken.

Es mangelte an übergreifender Beratungskompetenz. "Die Kulturen von Banken und Versicherungen sind ganz einfach zu verschieden", resümiert der St. Galler Professor Matthias Haller. Außerdem drängten immer mehr CS-Kunden auf eine Auswahl bei ihrer Versicherung und wollten sich nicht in die Winterthur zwingen lassen.

In der Schweiz gilt das Allfinanz-Konzept in einem umfassenden Sinn deshalb als diskreditiert. Man konzentriert sich auf die Kernkompetenzen. Zurich Financial Services trat Scudder an die Deutsche Bank ab, von der sie im Gegenzug die Versicherungssparte Deutscher Herold erhielt.

Und die Rentenanstalt hat sich nur deshalb nicht von ihrer eigenen Bank getrennt, weil sie keinen Käufer fand. Nur in kleinerem Stil, in Form von Kooperationen oder Vertriebsabkommen, wird derzeit noch Allfinanz betrieben. So lässt die Helvetia-Patria-Versicherung einige nah am Bankgeschäft liegende Produkte erfolgreich von den Filialen der Schweizer Raiffeisenbanken verkaufen.

© SZ vom 03.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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