Der Fall Mannesmann:Einspruch gegen den Freispruch

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Vieles deutet darauf hin, dass der Bundesgerichtshof die Millionen-Abfindungen, die bei der Übernahme des Mobilfunkdienstleisters Mannesmann gezahlt wurden, als illegal einstufen wird.

Daniela Kuhr

Diesen Dezember würde Josef Ackermann sicher am liebsten komplett aus seiner Erinnerung streichen. Zu massiv haben sich die schlechten Nachrichten gehäuft, mit denen der Chef der Deutschen Bank zu kämpfen hatte. Und das dicke Ende steht erst noch bevor.

Am Mittwoch um 10.30 Uhr wird der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sein Urteil in Sachen Mannesmann sprechen. Dann wird feststehen, ob Ackermann den Strafprozess um die Millionenprämien für Ex-Mannesmann Chef Klaus Esser und andere Manager endgültig abhaken darf - oder ob er doch noch einmal zurück muss auf die Anklagebank, womöglich für viele Wochen.

Es könnte eng werden für den Bankchef. Bei der Revisionsverhandlung in Karlsruhe am 20. und 21. Oktober hatten die Richter erhebliche Zweifel an den Freisprüchen des Landgerichts Düsseldorf erkennen lassen.

Immer wieder warfen sie die Frage auf, ob die umgerechnet 57 Millionen Euro, die die Angeklagten bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone an Führungskräfte verteilt hatten, nicht letztlich ein "Geschenk" waren. Ein Geschenk, mit dem die Akteure das Vermögen von Mannesmann bewusst geschädigt hätten.

Auf einen Schlag 80.000 Mitwisser

Ackermann, der zum Zeitpunkt des Übernahmekampfes im Frühjahr 2000 im Aufsichtsratspräsidium von Mannesmann saß, hatte die Prämien mitbeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf warf ihm deshalb schwere Untreue vor - wie auch den weiteren drei Präsidiumsmitgliedern, darunter Ex-Aufsichtratschef Joachim Funk und der frühere IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel. Esser dagegen und sein leitender Mitarbeiter Dietmar Droste mussten sich nur wegen Beihilfe verantworten. Profitiert von dem Geldsegen haben nur Esser und Funk: Esser bekam 15 Millionen und Funk drei Millionen Euro, die anderen Angeklagten erhielten nichts.

Das Landgericht Düsseldorf hatte in den Prämien einen Verstoß gegen das Aktiengesetz gesehen, da sie nicht im Unternehmensinteresse gelegen hätten. Zum Teil hätten die Angeklagten ihre Pflichten aber "nicht gravierend verletzt". Darüber hinaus hielten die Richter ihnen auch einen Irrtum zugute, da mehrere Experten und auch ein Staatsanwalt die Prämien damals - noch vor deren Auszahlung - für rechtmäßig erklärt hatten.

In der Revisionsverhandlung in Karlsruhe betonten die Verteidiger, dass die Zahlungen eine Gegenleistung für außergewöhnliche Erfolge während der Übernahmeschlacht gewesen seien.

Schließlich habe sich der Börsenwert von Mannesmann in der neunmonatigen Amtszeit von Esser als Vorstandschef mehr als verdreifacht. In so einem Fall habe der Aufsichtsrat das Recht, auch eine vertraglich vorher nicht vereinbarte Vergütung zu gewähren.

Doch zumindest bei einem der fünf Richter fand diese Argumentation überhaupt keine Zustimmung. "Sie sind ja offenbar der Meinung, dass im Wesentlichen der Aufsichtsrat entscheidet, was im Unternehmensinteresse liegt", sagte Gerhard von Lienen. "Das entspricht natürlich nicht der Rechtsprechung, das wissen Sie sicher."

Der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf drückte sich vorsichtiger aus. "Wenn man mal überlegen würde, dass es gar keine Vergütungen waren, sondern Geschenke", fragte er einen Verteidiger ruhig, "verliert dann Ihre Argumentation an Schlüssigkeit?" Der Anwalt geriet ins Stocken, doch nur kurz. "Herr Ackermann macht keine Geschenke", erwiderte er verblüfft.

Und selbst wenn die Angeklagten tatsächlich ihre Pflichten verletzt hätten, dann sei das doch in jedem Fall nicht vorsätzlich geschehen, argumentierten die Verteidiger weiter.

Das sehe man schon daran, dass Esser selbst darauf gedrungen hatte, seine Prämie in dem Börsenprospekt für die Aktionäre zu veröffentlichen. "Mir ist kein Kriminalfall bekannt, in dem sich jemand auf einen Schlag 80 000 Mitwisser verschafft", sagte Esser-Verteidiger Jürgen Welp.

Über die gesamte zweitägige Verhandlung hinweg war Tolksdorf bemüht, den Eindruck zu verhindern, das Urteil stehe längst fest. Mit Blick auf die neben der Richterbank sitzende Bundesanwaltschaft, die gegen die Freisprüche ankämpfte, sagte er einmal während der Verhandlung: "Ich möchte klarstellen: Die Herren gehören nicht zu uns." Auch das Urteil des Landgerichts nahm der Vorsitzende Richter gegen Kritik in Schutz.

"Man muss doch mal eines festhalten", sagte er zu vorgerückter Stunde. "Die Kammer hat Gewaltiges geleistet, allein schon die Aktenberge, die sie verarbeiten musste."

Tolksdorf lehnte sich nach vorn und blickte verschwörerisch in den mit etwa 100 Zuschauern voll besetzten Raum. "Abgesehen davon, dass wir alle, die wir hier sitzen, das Urteil natürlich besser geschrieben hätten." Am Mittwoch wird er verkünden, wie.

© SZ vom 20.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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