Der Fall Breuer:Ein Banker und sein Richter

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Die Deutsche Bank taumelt von einem Desaster ins nächste.

Helmut Kerscher

Innerhalb weniger Wochen bescheinigte der Bundesgerichtshof (BGH) erst dem amtierenden und jetzt dem früheren Vorstandssprecher rechtswidriges Handeln.

Zwischen den Fällen Ackermann und Breuer lenkte schnell noch Hilmar Kopper, deren gemeinsamer Vorgänger und DaimlerChrysler-Aufsichtsratschef, den Verdacht wegen rechtswidriger Insider-Informationen an Ackermann auf sich.

Diese Vorgänge ramponieren zusammen mit anderen Negativ-Schlagzeilen, zuletzt nach der Schließung eines Immobilienfonds, das Image der größten Bank des Landes nachhaltig.

"Besser als mein Ruf"

So erinnerte Bundesrichter Gerd Nobbe das Geldhaus nach der Teilniederlage gegen Leo Kirch süffisant an seinen Werbeslogan "Leistung aus Leidenschaft". Allmählich kann ihn die Deutsche Bank durch Maria Stuarts "Ich bin besser als mein Ruf" ersetzen.

Richter Nobbe, der den Beklagten seinen "dringenden Rat" zu Vergleichsverhandlungen mit Kirch gab, ist keineswegs ein entlaufener Verbraucherschützer oder Kapitalismuskritiker.

Er ist vielmehr Vorsitzender des seit Jahren heftigst als bankenfreundlich gescholtenen BGH-Senats, der zahllose Urteile über "Schrott-Immobilien" zugunsten der Kreditinstitute fällte.

Zwar gewann jetzt auch die Deutsche Bank teilweise den Revisionsprozess um die vier Jahre alten Interview-Äußerungen ihres heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Rolf Breuer. Was aber in der öffentlichen Wirkung mehr zählt, sind die Teilniederlage und einige Besonderheiten des Verfahrens.

Es ist ganz und gar unüblich, dass sich ein Gericht mit dem Image eines Prozessbeteiligten befasst. Auch sprengt die vom BGH ausgesprochene Empfehlung von Vergleichsverhandlungen den Rahmen.

Vor allem aber überrascht, dass laut Urteil nicht nur die Bank, sondern auch ihr früherer Vorstandssprecher Rolf Breuer persönlich für etwaige Schäden durch Interview-Äußerungen haften müssen. Immerhin hatte Richter Nobbe noch in der mündlichen Verhandlung gesagt, "dass es für eine Klage gegen Herrn Breuer nicht allzu gut aussieht".

Nun hat der BGH doch anders als angedeutet entschieden - gegen Breuer und gegen das Oberlandesgericht München, allerdings nicht aus heiterem Himmel.

Denn schon für das Landgericht München war es vor zwei Jahren selbstverständlich gewesen, auch Breuer wegen "unerlaubter Handlung" persönlich haften zu lassen.

Der BGH kam jetzt darauf zurück. Breuer habe bei seinem Interview über Kirchs fehlende Kreditwürdigkeit als Organ der Deutschen Bank gehandelt und die für beide geltende Loyalitätspflicht verletzt. Er könne sich dabei nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen, weil dieses kein vertragswidriges Verhalten erlaube.

Damit hat ein Zivilsenat des BGH nachhaltig die Botschaft eines Strafsenats des BGH im Mannesmann-Urteil bekräftigt: Wirtschaftsführer haben viel Macht und viele Rechte, aber auch viele Pflichten und Risiken. Schnell mal ein paar Millionen "Anerkennungsprämien" bewilligt, schnell mal ein paar flotte Sätze über Kunden dahergesagt - das kann teuer werden.

Die landläufige Vorstellung, grobe Fehler von Managern blieben anders als im normalen Arbeitsleben stets folgenlos, hat der BGH nun zweimal nacheinander korrigiert. Im Mannesmann-Urteil stellte er klar, dass Aufsichtsräte als "Gutsverwalter, nicht Gutsherren" handelten und deshalb stets das Interesse des Unternehmens befolgen müssten.

Im Kirch-Urteil wird die zivilrechtliche Haftung von Managern für Pflichtverletzungen festgestellt: Wenn sie nicht als Privatpersonen, sondern als "Organe" handeln, müssen sie sich an die vertraglichen Pflichten ihrer Firmen halten und zum Beispiel ihre Worte wägen.

Drei Fragen

Der BGH ließ dabei ausdrücklich offen, ob im Fall Kirch/Breuer das Bankgeheimnis verletzt wurde. Ihm genügte schon, dass Breuer mit seinen "recht ungewöhnlichen Äußerungen wahrscheinlich einen Vermögensschaden verursacht hat", wobei das Ansehen der Bank und ihres Chefs eine Rolle spielte. Beide haften nun also für etwaige Schäden von Kirchs PrintBeteiligungs Gmbh.

Ob Breuer im Fall des Falles selbst zahlen müsste oder ob Bank oder Versicherung einspringen würden - das mag die Juristen später beschäftigen. Für Peter Gauweiler, einen der Kirch-Anwälte, würden sich die Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bank der Untreue schuldig machen, wenn das Institut für eine Schadensersatzforderung an Breuer aufkommen würde.

Zunächst müssen ohnehin drei andere Fragen beantwortet werden, die sich aus dem Urteil ergeben: Wie hoch veranschlagt Kirch den konkreten Schaden seiner Printgesellschaft? Kann er die Ursächlichkeit des Breuer-Interviews für diesen Schaden beweisen?

Gibt es ein Ergebnis wieder erst nach drei Gerichtsinstanzen - oder im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs? Letzteren, von Richter Nobbe inbrünstig empfohlenen Weg wollten die Anwälte unmittelbar nach der Urteilsverkündung nicht gehen. Dagegen spricht auch, dass die zahlreichen Prozesse des gestürzten Medienherrschers Kirch gegen Breuer ein Motiv nahelegen, das in ganz anderem Zusammenhang die Spiegel-Titelseite dieser Woche ziert: "Die Moral der Rache".

© SZ vom 25.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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