Deichmann:Missionar mit großen Fußstapfen

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Heinz-Horst Deichmann feiert den 90. Geburtstag seines Imperiums — mit der ersten Pressekonferenz des Unternehmens.

Von Michael Kläsgen

(SZ vom 18.09.2003) — Zur Feier des Tages hatte Heinz-Horst Deichmann am Mittwoch Schuhe aus seinem eigenen Haus angezogen.

So stolz war er auf das Paar, dass er kurz mal herausschlüpfte, es in die Hand nahm und sagte: "Alles Leder, perfekt verarbeitet und nur für 59 Euro."

Europas größter Schuhfabrikant hat ein kleines Handicap: Er trägt Schuhgröße elfeinhalb. Diese Übergröße zwingt ihn, hin und wieder auf andere Marken auszuweichen. Denn wegen der geringeren Nachfrage würde es sich nicht lohnen, ein großes Sortiment von solchen Schuhe herzustellen - sie würden dann zu teuer.

Aber nicht nur wegen dieses einen Paares macht der 76 Jahre alte Mann mit dem schlohweißen und etwas zerzausten Haar einen rundum zufriedenen Eindruck. Er blickt auf ein erfolgreiches Leben zurück.

"Die Kritik hat mich sehr verletzt"

Nach dem Krieg hat er das kleine Schuhgeschäft seines Vaters in Essen-Borbeck zu einem Unternehmen mit 1900 Filialen gemacht. Wie viel Geld die Familie damit verdient, teilte sie auch gestern nicht mit, nur, dass der Umsatz bei 2,2 Milliarden Euro lag und zuletzt etwa 80 Millionen Schuhe weltweit verkauft wurden.

Während dieser rapiden Expansion ist die Geschäftsidee, die vom Bergarbeiter-Milieu geprägt worden sei, wie Deichmann sagt, gleich geblieben. Die Ware soll qualitativ hochwertig, aber günstig sein.

Dabei hat sich Deichmann ein sinnliches Verhältnis zu seinen Schuhen bewahrt. Als er seinen rechten Schuh in die Hand nimmt, knetet und drückt er ihn. Er kann sich wie ein Kind für seine Produkte begeistern und sagt Sätze wie: "Ich habe im Haus meiner Eltern Schuhluft eingeatmet." Auf der ersten Pressekonferenz verriet er vor lauter Enthusiasmus sogar gegen das Protokoll das Geheimnis seines Erfolgs.

Von Anfang an erstellte er systematisch Verkaufsdateien, die Aufschluss darüber gaben, wer welche Schuhe zu welchem Preis kaufte. Dadurch konnte er exakte Einkaufspläne machen, so wiederum den Kundenwünschen möglichst genau entsprechen.

Und natürlich sagte er auch den pathetischen Satz: "Das Unternehmen muss den Menschen dienen." Was man ihm aber abnehmen kann. Als vor Jahren Gerüchte aufkamen, wonach die Beschäftigten in den Deichmann-Fabriken in Indien unter unzumutbaren Bedingungen arbeiten müssten, zeigte er sich geschockt.

"Die Kritik hat mich sehr verletzt", sagte er, aber handelte auch. Wort und Tat heißt auch eine der vielen Initiativen für Notleidende im In- und Ausland, die Deichmann unterstützt, dessen christliches Engagement bekannt ist. Womit er aber nicht kokettiert.

Die Tat nach der Kritik: Deichmann führte einen Verhaltenskodex ein. Heute prangt am Eingang der Firmenzentrale ein ovales Schild wie an einer Botschaft. Deichmann ist auch Honorar-Konsul für Indien in Nordrhein-Westfalen. Eine Art Anerkennung für sein Engagement gegen Lepra und Kinderarbeit in dem Land.

Wie viel Geld genau die Gruppe in soziale Projekte steckt, verschweigt sie aber ebenso wie die Höhe des Gewinns.

Dem gelernten Arzt und Orthopäden haben seine sozialen Dienste den Ruf beschert, ein Gutmensch zu sein. Dass ihm das Leben im Jet-Set widerstrebt und er sich keine Eskapaden erlaubt, kann man sich vorstellen.

Ob sein Sohn Heinrich, der das Unternehmen in der dritten Generation führt, dieses Image bewahren kann, wird sich herausstellen, wenn er erstmal die Geschäfte ganz übernommen hat. Noch muss er lernen, in die Fußstapfen des Mannes zu treten, der trotz seiner Riesenlatschen angeblich nicht gern auf großem Fuß lebt.

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