Knapp zwei Wochen nach der historischen EU-Erweiterung stehen bereits sechs der zehn neuen Mitgliedstaaten wegen überhöhter Neuverschuldung am Brüsseler Defizit-Pranger.
Die Kommission leitete am Mittwoch in Brüssel Defizitverfahren gegen Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und die Mittelmeerinseln Malta und Zypern ein.
Tschechien am höchsten verschuldet
Die Neuverschuldung reichte 2003 von 3,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Slowakei bis fast 13 Prozent in Tschechien. Erlaubt sind höchstens 3 Prozent.
Die neuen Länder müssen wegen der besonderen Situation der Erweiterung bei der von Brüssel geforderten Haushaltssanierung keine Fristen einhalten. "Es gibt auch keinerlei Absicht, mit Strafmaßnahmen gegen die neuen Mitgliedsländer vorzugehen", sagte EU-Währungskommissar Joaquín Almunia.
Bekannte Defizitsünder in der alten EU sind Deutschland oder Frankreich.
Musterschüler Estland
Die Kommission ist auf Grund des Stabilitätspaktes gezwungen, mit Berichten über die Haushaltslage gegen die Defizitsünder in Mittel- und Osteuropa sowie im Mittelmeerraum vorzugehen. Die Finanzminister werden am 5. Juli über Sparempfehlungen an die Länder entscheiden.
Almunia äußerte sich nicht detailliert über den Weg der neuen Länder zur Gemeinschaftswährung Euro. Dem Vernehmen nach könnten die beiden finanzpolitischen "Musterschüler" Estland und Litauen schon im Sommer dem Europäischen Wechselkursmechanismus beitreten, bei dem die nationale Währung mit einem Leitkurs an den Euro gebunden wird. Estland hat einen Haushaltsüberschuss.
Eine mindestens zweijährige Teilnahme am Wechselkurssystem ist Vorbedingung für den späteren Beitritt zum Euro-Gebiet. Die neuen Staaten sind laut EU-Recht sogar verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald sie die Maastrichter Stabilitätskriterien erfüllen.
Die Neuverschuldung betrug im vergangenen Jahr laut Kommission in der Slowakei 3,6 Prozent vom BIP, in Polen 4,1 Prozent, in Malta 9,7 Prozent, in Ungarn 5,9 Prozent, in Tschechien 12,9 Prozent und in Zypern 6,3 Prozent.