Debatte um Investivlohn:Vergiftetes Geschenk

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In seltener Einigkeit werben von der Kanzlerin über CDU und SPD bis hin zum Bundespräsidenten Politiker für den Investivlohn. Der soll Arbeitnehmer stärker an Unternehmensgewinnen beteiligen. Das klingt gut - aber zu Ende gedacht wurde das Thema nicht. Ein Kommentar von Marc Beise

Der Bundespräsident ist dafür und die Bundeskanzlerin, die CDU und jetzt auch die SPD - was soll da noch schiefgehen? Der "Investivlohn" kommt in Mode, und nur Beobachter mit Langzeitgedächtnis erinnern sich, wie oft schon über dieses Thema geredet worden ist - und wie vergeblich.

Letztlich ist die Idee einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg so alt wie die Bundesrepublik, sogar noch älter.

Schon Ludwig Erhard, dem Vater des Wirtschaftswunders, schwebte eine "Gesellschaft von Teilhabern" vor, und auch er gab nur wieder, was schon in der christlichen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts propagiert worden ist. Es muss ja nicht alles schlecht sein, was alt ist, weshalb man kein Spielverderber sein und das Thema neu durchdenken sollte.

Und in Krisenzeiten?

Es klingt ja gut: Endlich werden die Arbeitnehmer nicht mehr nur mit einem kaum noch steigenden Lohn abgespeist, sondern erwerben Eigentum am Unternehmen.

Wahrscheinlich sind die Mitarbeiter auch motivierter bei der Arbeit und in Krisenzeiten auch eher bereit zu Einschnitten bei Lohn und Gehalt, denn sie sind ja am Überleben der Firma doppelt interessiert. Leider liegen die Probleme wie so oft im Detail. So einleuchtend die Grundidee ist, so problematisch ist die Ausgestaltung.

Das beginnt schon bei der Frage, ob der Teil des Lohns, der in Form einer Beteiligung am Unternehmen - sei es in Form von Aktien, GmbH-Anteilen, Genossenschaftsanteilen, Mitarbeiterdarlehen oder Genussscheinen - gewährt wird, zusätzlich ausgezahlt wird oder nicht. Wenn ja, dann können sich das nur wenige Unternehmen leisten.

Probleme beim Mittelstand

Vor allem für den Mittelstand, der jeden Überschuss für Investitionen benötigt, wäre ein Investivlohn unbezahlbar. Wird aber der Investivlohn lediglich Teil des bisherigen Gehalts, werden sich die Mitarbeiter bedanken, die schon jetzt mit ihrem Geld kaum noch zurechtkommen und die nun bei gleichem Geld ein zusätzliches Risiko tragen sollen.

Das ist die Crux der Mitarbeiterbeteiligung: Ein Investivlohn ist sinnvoll in einer aufstrebenden Wirtschaft, wo auf Jahre hinaus mehr zu verteilen sein wird. Deshalb war Ludwig Erhards Ansatz so richtig wie vergeblich - eine große Chance wurde damals von den Tarifparteien vertan.

Heute aber, wo die Wirtschaft insgesamt trotz aktuell guter Zahlen immer stärker unter den Druck des internationalen Wettbewerbs steht, ist das Risiko für die Arbeitnehmer ungleich höher als in den 60er oder 70er Jahren: Gerät ein Unternehmen in die Krise, sind Jobs und Anwartschaften in Gefahr.

Nichts gegen einen Investivlohn in großen Unternehmen, deren Überleben vergleichsweise sicher ist, oder bei aufstrebenden Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen. Als Instrument einer breiten Mitarbeiterbeteiligung tief in den Mittelstand hinein, wie sich das manche Christ- und Sozialdemokraten vorstellen, wird er nicht funktionieren.

© SZ vom 28.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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