DBB-Chef Heesen über den Bahn-Streit:"Ich habe Mehdorn aus vollem Herzen gerüffelt"

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Der Chef des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, über die Charakterstärken des verhandlungswilligen GDL-Bosses Schell, warum er Bahn-Chef Mehdorn einen Rüffel verpasst hat - und warum die Volksaktie des Konzerns ein Reinfall wird.

Melanie Ahlemeier

Peter Heesen, 60, ist seit 2003 Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (DBB). Dem Dachverband gehört auch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) an. Erst am Montag wurde Heesen in seinem Amt bestätigt. Bisher hat sich der Gewerkschaftsboss aus dem Tarifstreit zwischen GDL und Deutscher Bahn herausgehalten - nun mischt er sich ein.

DBB-Chef Peter Heesen: "Herr Mehdorn hat gegen die Absprache alles herausposaunt" (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Die GDL bewegt sich und kehrt - zumindest für eine Runde - an den Verhandlungstisch zurück. Wird das reichen?

Peter Heesen: Das ist schon toll, dass sie das machen. Man hatte sich über ein Paket unterhalten und strengstes Stillschweigen vereinbart. Es war sehr ärgerlich, dass sich der Bahn-Vorstandsvorsitzende daran nicht gehalten hat. Herr Mehdorn hat dann gegen die Absprache alles herausposaunt - auch, weil er die GDL von der Mitgliederseite her unter Druck setzen wollte. Das ist kein guter Umgang. Dennoch freue ich mich sehr, dass unsere GDL gesagt hat, dass sie weiterverhandelt. Am Ende ist doch klar: Lösungswege kommen nur auf dem Verhandlungsweg zustande.

sueddeutsche.de: Haben Sie Herrn Mehdorn für sein Herausposaunen gerüffelt?

Heesen: Ja, ich habe ihn mündlich gerüffelt - und zwar aus vollem Herzen, denn das kann man einfach nicht machen. Wenn beide Seiten Vertraulichkeit vereinbaren, dann muss man sich daran auch halten. Gerade in einer so sensiblen Situation hätte Herr Mehdorn das wissen müssen.

sueddeutsche.de: Wie finden die zerstrittenen Kontrahenten GDL und Bahn einen Kompromiss? Wie wird der aussehen?

Heesen: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das von Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler vorgelegte Moderatorenergebnis der Schlüssel zu einem vernünftigen Kompromiss ist. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass man diesen Kompromiss leichter erreichen könnte, wenn man die Lokomotivführer in eine eigene Beschäftigungsgesellschaft ausgliedert. Dann hätte man die Möglichkeit, dass man mit den Lokomotivführern eigenständig verhandelt, dann würde auch ein eigenständiges Ergebnis erzielt. Auf diesem Wege könnte man die Kuh vom Eis bekommen. Es macht keinen großen Spaß, wenn im Weihnachtsverkehr gestreikt wird.

sueddeutsche.de: Die Moderatoren Biedenkopf und Geißler haben der GDL einen eigenständigen Tarifvertrag zugebilligt. Bei Bahn-Chef Mehdorn klingt das jetzt aber anders.

Heesen: Herr Mehdorn macht das inzwischen bewusst polemisch. Es geht nicht um einen eigenständigen Tarifvertrag in Gänze. Es geht ja nur um zwei Bereiche: Eingruppierung der Lokomotivführer und Umfang der Arbeitszeit.

sueddeutsche.de: Macht der geplante Gang an die Börse den Bahn-Chef Mehdorn so kampfeslustig?

Heesen: Herr Mehdorn sieht den Gang an die Börse wohl als sein Lebenswerk an. Allerdings hat er beim SPD-Parteitag einen dramatischen Schiffbruch erlitten. Die SPD-Lösung halte ich allerdings auch für schwachsinnig, denn aus der Bahn kann man keine AG mit Volksaktien machen - die kauft keiner. Herr Mehdorn sieht jetzt seine Felle davonschwimmen, weil er glaubt, dass er das große Projekt Privatisierung nicht durchsetzen kann.

sueddeutsche.de: Wie sieht es mit den Konkurrenzgewerkschaften Transnet und GDBA aus?

Heesen: Die beiden anderen Gewerkschaften haben den Privatisierungskurs Mehdorns unterstützt. Die GDL war immer dagegen. Ich kann mir vorstellen, dass das auch einer der Gründe ist, warum Herr Mehdorn nun diese Gewerkschaft nicht zum Zuge kommen lassen will.

sueddeutsche.de: GDL-Boss Manfred Schell ist mit dem nachgebesserten Bahn-Angebot immer noch unzufrieden und bezeichnet es als "Mogelpackung". Warum lenkt er trotzdem ein?

Heesen: Ich glaube, dass da Psychologie eine Rolle spielt. Es ist den unbeteiligten Menschen nicht einfach klarzumachen, dass irgendwann die nächste Streikwelle rollt, obwohl zwischendurch nicht geredet wurde. Herr Schell ist gut beraten, von sich aus zu sagen: Wir haben kein Problem damit zu verhandeln. Aber er wird in den Verhandlungen sicherlich deutlich machen, dass vieles von dem, was im Angebot steht, eine Shownummer ist.

sueddeutsche.de: Was muss geschehen?

Heesen: Der Weg geht nur darüber, dass man die Eingruppierung der Lokführer verändert. Wenn Herr Mehdorn meint, einen eigenständigen Tarifvertrag im biedenkopfschen Sinne könne er nicht gewähren, dann müsste er wenigstens bei den Zahlen etwas tun, dann könnten die Lokomotivführer schwach werden.

sueddeutsche.de: Wie sähe ein gutes Kompromiss-Angebot aus?

Heesen: Ich möchte wirklich keine Zahl nennen. Fälschlicherweise wird über Prozente gestritten. Die Lokomotivführer haben nie 31 Prozent, sondern immer eine bessere Eingruppierung gefordert. Da geht es um eine bessere Entgeltstruktur. Irgendwann hat die Bahn daraus 31 Prozent errechnet. Dann hat Herr Schell - und in meinen Augen war das nicht klug - gesagt: "Na gut, ist mir egal, worüber wir reden". Die GDL hat aber immer die Frage der Eingruppierung diskutiert.

sueddeutsche.de: Die GDL ist Mitglied im Deutschen Beamtenbund. Wenn die Lokführer streiken, zahlt der DBB mit. Wie viel hat der Lokführerstreik dem DBB bisher gekostet?

Heesen: Ich werde keine Zahlen nennen, denn bisher haben die Lokführer nicht mit uns abgerechnet. Bisher wurde alles aus eigenen Mitteln bezahlt.

sueddeutsche.de: Auf dem Gewerkschaftstag in Berlin haben Sie den Satz "Solidarität ist keine Einbahnstraße" geprägt. Haben Sie GDL-Boss Schell ins Gewissen geredet, nachdem Sie Bahn-Chef Mehdorn den Kopf gewaschen haben?

Heesen: Der Satz fiel in einer Diskussion mit einem GDL-Delegierten. Ich habe ihm gesagt, dass wir den Arbeitskampf mitfinanzieren. Aber dann muss das auch mit uns abgestimmt werden, dafür gibt es eine Unterstützungsordnung. Wer von uns unterstützt werden will, der muss mit uns bestimmte Maßnahmen abstimmen, damit wir die Konsequenzen kennen. Herr Schell hat sich vor vielen Monaten in einer Frage mit uns abgestimmt. Er hatte vor einiger Zeit das Konzept entwickelt, nicht nur Lokomotivführer, sondern auch Zugbegleitpersonal zu vertreten. Das hat er mit uns besprochen. Ich habe ihn davon abgehalten und ihm gesagt, dass er im Falle eines Arbeitskampfes für diesen Teil des Personals keine Unterstützung erhält - auch keine materielle.

sueddeutsche.de: Die Zugbegleiter sind bei den Moderationsgesprächen dann herausgenommen worden.

Heesen: Schell hat die Biedenkopf-Geißler-Vereinbarung unterzeichnet und ist damit von seiner ursprünglichen Forderung abgerückt. Das halte ich für ein außerordentlich positives Signal.

sueddeutsche.de: War die GDL eigentlich schon immer ein Problemfall?

Heesen: Nein, sie ist auch jetzt keiner.

sueddeutsche.de: Also will es GDL-Boss Schell kurz vor seiner Penisonierung einfach nur noch einmal allen zeigen?

Hesen: Ich kenne Herrn Schell Jahrzehnte. Er ist ein ganz leidenschaftlicher Gewerkschafter und auch in seiner Art ein bewundernswerter Mann. Er hat eine Eigenschaft, die ich unglaublich schätze: Er ist immer brutal ehrlich. Das kann auch mal schmerzlich sein, aber man weiß immer genau, wo man bei ihm dran ist. Da gibt es keine Heimtücke. Und ich weiß, dass das der Bahn-Vorstand auch so sieht.

sueddeutsche.de: Haben Sie der GDL Tipps zur Streiktaktik gegeben?

Heesen: Das habe ich getan. Aber das waren vertrauliche Ratschläge und Hinweise. Darüber möchte ich öffentlich nicht reden. Ich habe mich die ganzen Monate herausgehalten und versucht, im Hintergrund bestimmte Entwicklungen positiv zu beeinflussen.

sueddeutsche.de: Transnet-Chef Norbert Hansen sagt, der GDL gehe es mit einem eigenen Tarifvertrag nur um einen Statusvorteil. Stimmen Sie dem zu?

Heesen: Herr Hansen will doch auch nichts anderes. Wenn Herr Schell einen Tarifvertrag für die Lokomotivführer bekommt, dann wird Herr Hansen der Erste sein, der zwei oder drei andere Berufsgruppen herausnimmt und dasselbe Spiel auch macht.

sueddeutsche.de: Wenn die GDLer mehr Lohn erhalten, wollen auch Transnet und GDBA einen "Nachschlag".

Heesen: Das ist die Verquickung von linearer Entwicklung und der Frage der Eingruppierung. Es macht keinen Sinn zu sagen, wenn Herr Schell eine bessere Entgeltgruppe für die Lokomotivführer bekommt, dass das dann bei allen anderen mit der Gießkanne über lineare Einkommensentwicklungen ausgeglichen wird.

sueddeutsche.de: Streiken bald - aus reiner Solidarität - alle im DBB organisierten Gruppierungen?

Heesen: Nein, das können wir gar nicht. Das ist auch keine Frage der Willkür. Wir haben in den anderen Bereichen Friedenspflicht. Wie sollen wir da aus Solidarität mitstreiken?

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