Dax-Dividenden:Aus der Substanz

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Die 30 Dax-Unternehmen belohnen ihre Aktionäre so wie noch nie: Für 2016 zahlen sie Dividenden von 31,7 Milliarden Euro. Das ist nicht ungefährlich: Drei Konzerne schütten sogar mehr aus, als sie erwirtschaftet haben.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Über manche Rekorde würde man lieber nicht sprechen. Der Energiekonzern Eon aber hatte keine Wahl, als er vor wenigen Tagen erklären musste, wie der gigantische Verlust von 16 Milliarden Euro zustande kam: weniger Umsatz, eine teure Ausgründung des Kraftwerks-Geschäfts, hohe Schulden. Wo kein Gewinn ist, gibt es eigentlich auch nichts zu verschenken. Trotzdem sollen die Aktionäre nicht leer ausgehen und eine kleine, gekürzte Dividende erhalten, als Belohnung für ihre Treue zu einem gebeutelten Konzern.

Einst galten die Aktien von Energieversorgern als sicher, die Unternehmen verdienten gut und schenkten einen guten Teil ihrer Gewinne den Anteilseignern. Das war vor Energiewende-Zeiten. Heute sind es vor allem Automobilkonzerne, auf deren Ausschüttungen man vertrauen kann.

In diesem Jahr werden die 30 Dax-Unternehmen so viel Geld verteilen wie noch nie: Die größten deutschen Konzerne belohnen ihre Eigentümer mit voraussichtlich 31,7 Milliarden Euro, rechnet die Beratungsgesellschaft EY anhand der Geschäftsberichte vor. 23 Unternehmen wollen ihre Dividende erhöhen, bei 19 soll sie einen neuen Rekord erreichen; nur Eon und die Commerzbank zahlen weniger als im Vorjahr. So unsicher das Jahr 2016 politisch gewesen ist, so unklar die Wachstumsaussichten Chinas zu Jahresbeginn noch schienen, so robust lief das Geschäft der deutschen Konzerne. Die Gewinne stiegen sogar schneller als die Dividenden.

Ist die Dividende gemessen am Gewinn zu hoch, fehlt das Geld für wichtige Investitionen

Welchen Anteil des Gewinns ein Konzern an die Aktionäre weiterreichen soll, ist für Chefs eine knifflige Frage. Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung bei EY, bezeichnet das als Gratwanderung: "Zu hohe Ausschüttungen könnten die Handlungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der Unternehmen einschränken", sagt er. Derzeit seien die Unternehmen gut beraten, ausreichend Bargeld vorzuhalten. Einige Dax-Konzerne tun das nicht und zahlen ihre Dividende aus der Substanz: Im Fall der Deutschen Bank, von RWE und Eon kann man schon nicht mehr von einer Gewinnbeteiligung sprechen - sie schütten Geld aus, obwohl sie keins verdient haben.

Auffällig sind auch die Ausschüttungsquoten der Deutschen Telekom und von ProSieben Sat.1 ( siehe Grafik). Bei beiden Konzernen übersteigt die Dividende das Konzernergebnis. Das sollte skeptisch stimmen: Verteilt ein Unternehmen zu viel Geld, fehlt es an anderer Stelle für notwendige Investitionen. Andere Konzerne halten sich deshalb bewusst zurück.

Andreas Hürkamp, Aktienstratege der Commerzbank, wertet die Rekord-Dividenden als Vertrauenssignal. "Das zeigt", sagt er, "dass die politischen Risikofaktoren die Geschäftsaussichten nicht wesentlich getroffen haben." Das gilt auch für 2017: Nach Hürkamps Prognosen könnten die Dax-Dividenden im kommenden Jahr erneut um etwa sieben Prozent steigen - sofern die politischen Risiken auch in den nächsten Monaten überschaubar bleiben.

Indes weist Hürkamp auf ein anderes Risiko hin: Nahezu ein Viertel der Dividenden im Dax stammt von den Autokonzernen, allein Daimler steuert mehr als jeden zehnten Euro bei. Die Branche, die zuletzt einen so hohen Anteil erreichte, war 2009 die der Energieversorger. Und zuvor die Banken.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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