Das Plus in der Staatskasse (I):Deutschland ist noch zu retten

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Der Abstieg des Standortes wurde häufig beschrieben - oft mit kaum aussagekräftigen Rankings.

Nina Bovensiepen

Hans-Werner Sinn ist nicht eben als Aufschwungsprophet bekannt. In deprimierenden Bildern hat der Chef des Münchner Ifo-Instituts in den vergangenen Jahren das Dilemma des Standortes Deutschland beschrieben. Sinn prägte das Schlagwort der Basarökonomie, das impliziert, dass Deutschland immer weniger selbst produziert und zum Umschlagplatz für Waren wird.

Und er schrieb das Buch "Ist Deutschland noch zu retten?", in dem er den Weg vom Wirtschaftswunderland zum kranken Mann Europas nachzeichnet. Kollegen von Sinn taten es ihm gleich; auch Politiker und Journalisten waren in den vergangenen Jahren damit beschäftigt, das Drama des Landes zu beschreiben.

Untergangsszenarien im Trend

Einer Studie zufolge, die ausgerechnet aus Sinns Ifo-Institut kommt, ist die Basis für viele Untergangsszenarien dabei dünn. Insbesondere die beliebten Standort-Rankings bedienten sich oft fragwürdiger Methoden und seien von der Aussagekraft begrenzt, haben die Ifo-Forscher Wolfgang Ochel und Oliver Röhn untersucht.

Konkret haben die beiden vier häufig zitierte Rankings unter die Lupe genommen. Darunter ist etwa die berühmte Untersuchung zur Wettbewerbsfähigkeit des World Economic Forums. Auf dieses Ranking bezog sich beispielsweise Bundespräsident Horst Köhler in seiner viel beachteten Rede "Zur Ordnung der Freiheit", die er im März 2005 vor Arbeitgebern hielt. "Das deutsche Steuersystem ist kompliziert und unübersichtlich", sagte Köhler damals. "Im aktuellen Länderranking des World Economic Forums belegt es in Sachen Effizienz bei 104 untersuchten Ländern Platz 104."

Solche Zahlen machen Angst. Nicht immer zu Recht, meinen die Ifo-Forscher. Sie ermittelten den Zusammenhang zwischen dem Abschneiden einzelner Länder in unterschiedlichen Standort-Rankings und dem Wirtschaftswachstum in den folgenden Jahren - und fanden häufig keine Korrelation.

Manchmal ergaben sich sogar negative Zusammenhänge. So bewertet die amerikanische Heritage Foundation in einem Index regelmäßig die ökonomische Freiheit in verschiedenen Volkswirtschaften. Laut Ifo-Untersuchung ergab sich hier die Korrelation, dass jene Länder, die laut Index besonders schlecht abschnitten, in der Folge mehr wuchsen als jene, die auf den vorderen Plätzen standen.

Die begrenzte Aussagefähigkeit der Indikatoren geht nach Meinung der Forscher darauf zurück, dass zu wenig Komponenten in sie einfließen. Insbesondere weiche Faktoren, wie die geografische Lage eines Landes, der Einfluss von Religion oder Infrastruktur, blieben häufig unberücksichtigt.

Außerdem beruhten die Indikatoren oft auf Ergebnissen von Umfragen unter Managern. Diese stellen aber nur einen Bruchteil der Bevölkerung. Noch dazu seien die Fragen für die Rankings teilweise nicht eindeutig formuliert - wenn etwa nach dem technologischen Stand gefragt werde, dürften sich die Antworten in Industrieländern an anderen Kriterien orientieren als in der Dritten Welt.

Insgesamt lieferten die Rankings zwar nützliche Informationen, sie seien aber sehr verbesserungsfähig, resümiert die Ifo-Studie. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Runde von Wirtschaftsprofessoren übrigens schon Ende 2004.

Die fünf Weisen des Sachverständigenrats beklagten zu jener Zeit in ihrem Jahresgutachten, Deutschlands Zukunft werde nur noch "in düsteren Farben gemalt". Die Weisen äußerten Bedenken gegen die massenweise angefertigten Standortrankings. "Insgesamt ist gegenüber derartigen Studien Skepsis angebracht", urteilten die Professoren schon damals. Zu der Zeit wollte das aber kaum einer hören.

© SZ vom 25.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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