Dank der Sonderangebote:Deutsche Bahn schafft Wende im Fernverkehr

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Die Sanierung der Bahn kommt voran. Immer mehr Reisende steigen wieder in ICE- und Intercity-Züge, viele Verbindungen sind ausgebucht. In den ersten fünf Monaten legte allein der Umsatz beim Fernverkehr um rund 50 Millionen Euro zu. Geholfen haben die Sonderangebote. Nun zeichnen sich erneut Preiserhöhungen ab.

Von Ulf Brychcy

Das Zugfahren auch auf langen Strecken ist offenbar für viele Reisende deutlich attraktiver geworden. Die Deutsche Bahn (DB) konnte in ihren ICE- und Intercity-Zügen von Januar bis Ende Mai deutlich mehr Fahrgäste begrüßen als im Vorjahreszeitraum.

Hartmut Mehdorn kann sich über Fortschritte bei der Bahn-Sanierung freuen. (Foto: Foto: DDP)

Genaue Zahlen hat der DB-Vorstand mit dem Hinweis auf die Halbjahresbilanz im August zwar nicht veröffentlicht.

Aus den Unterlagen, die am Dienstag dem Aufsichtsrat vorgelegt wurden, geht aber hervor, dass allein der Fernverkehr seine Erlöse um rund 50 Millionen Euro steigern konnte. In den vergangenen Jahren war diese Sparte das Sorgenkind im Konzern.

Neukunden durch Sonderangebote

Die Zeit der sinkenden oder bestenfalls stagnierenden Fahrgastzahlen ist nun offenkundig überwunden. Vor allem durch ihre Sonderangebote habe die DB zahlreiche Neukunden gewinnen können, sagte ein Mitglied des Bahnaufsichtsrats.

Für besonderes Aufsehen hatte im Mai der Verkauf von Billigtickets bei der Supermarktkette Lidl gesorgt. 524000 Fahrscheinhefte mit je einer Hin- und Rückfahrkarte zum Preis von 49,90 Euro waren rasch ausverkauft, die Bahn konnte sich über einen Bruttoerlös von gut 26 Millionen Euro freuen.

Das wachsende Kundeninteresse lässt sich auch an den Bahncards ablesen. Ende Juni waren 3,2 Millionen dieser Rabattkarten im Umlauf, teilte die Bahn mit. Vor Jahresfrist waren es 2,8 Millionen.

Kaum noch Verluste im Fernverkehr

Zwar schreibt der Fernverkehr weiterhin Verluste, "aber nur noch leicht und damit deutlich weniger als geplant", sagte der Aufsichtsrat. Hält die Entwicklung an, dann kann Bahnvorstandschef Hartmut Mehdorn im Fernverkehr schon 2006 Gewinne ausweisen, also ein Jahr früher als bislang vorgesehen.

"Der Personenverkehr ist glänzend unterwegs", hieß es in Bahnkreisen. Auch der hochprofitable DB-Nahverkehr, den die Länder mit Bundesmitteln in Milliardenhöhe unterstützen, legte trotz der harten Konkurrenz von Privatbahnen erneut zu. Hier ist der Umsatz von Januar bis Ende Mai ebenfalls um rund 50 Millionen Euro gestiegen.

Insgesamt konnte der Transportkonzern bei den Erlösen um 4,5 Prozent auf zehn Milliarden Euro zulegen. Zugleich ist der Gewinn (Betriebsergebnis nach Zinsen) um nahezu 100 Millionen Euro auf rund 20 (Vorjahreszeitraum: minus 72) Millionen Euro gestiegen.

"Alle Ergebnisse liegen über Plan", verlautete aus dem Aufsichtsrat. Eine Erhöhung der Umsatz- und Ertragsprognosen hat Mehdorn gleichwohl abgelehnt. Für das Gesamtjahr strebt Mehdorn weiterhin einen Konzerngewinn von 420 Millionen Euro an.

Probleme im Güterverkehr

Es zeichnet sich ab, dass die Bahn auch in diesem Jahr die Tarife erhöhen wird. Beschlüsse gebe es zwar keine, teilte die Bahn mit. "Gute Umsätze dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Kosten steigen, vor allem auf dem Energiesektor", sagte Mehdorn.

2004 hatte die DB die Fernverkehrstarife zweimal angehoben, zuletzt im Dezember um durchschnittlich 3,1 Prozent. Kunden in den Nahverkehrs- und Regionalzügen mussten Preiserhöhungen von rund 3,6 Prozent hinnehmen.

Erhebliche Probleme gibt es weiter bei der Schienengüterverkehrstochter Railion. Das Frachtaufkommen ist zwar gewachsen, aber zu nicht kostendeckenden Preisen. "Der Laden wird durchgeschüttelt", hieß es. Die Bahn hatte Ende Mai deutlich steigende Verluste bei Railion angekündigt. "Wir haben hier die nächsten zwei, drei Jahre zu kämpfen", sagte damals Finanzvorstand Diethelm Sack.

Ambitionierte Sanierungspläne

"Die gesamte Konzernplanung des Vorstandes ist sehr ambitioniert, aber erreichbar", sagte der Chef der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, der zugleich stellvertretender Aufsichtsratschef bei der Bahn ist. Er verwies darauf, dass bei der DB weiterhin "strengste Kostenreduzierung gilt".

Mehdorn habe den Ehrgeiz, die Bahn zum größten europäischen Logistikkonzern auszubauen. Der Vorstand wolle die benötigten Investitionsmittel selbst verdienen. Die hohe Verschuldung von 25,5 Milliarden Euro lässt auch kaum Alternativen. Offenbar will Mehdorn demnächst in Norwegen bei einem Speditionsunternehmen und in Schweden bei einem Schienengüterverkehr-Betreiber einsteigen.

Hansen begrüßte die Wahl von Ex-Wirtschaftsministers Werner Müller zum Aufsichtsratschef der Bahn. Müller stehe für den engen Zusammenhalt von Netz und Betrieb bei der DB. Neue Mitglieder des Kontrollgremiums sind unter anderem der Stahlunternehmer Jürgen Großmann und der einstige Deutsche Bank-Vorstand Jürgen Krumnow.

© SZ vom 06.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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