Daimler:Schrempps Elchtest

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In Kürze berät der Daimler-Aufsichtsrat über die Zukunft von Jürgen Schrempp. Nach dem Scheitern der Welt AG schießen die Spekulationen bereits ins Kraut — ein Rücktrittsgesuch an den Konzernchef gilt jedoch als unwahrscheinlich.

Von Dagmar Deckstein

Ist Jürgen Schrempp ein Auslaufmodell? Diese Frage steht nach dem geschäftspolitischen Schwenk des DaimlerChrysler-Chefs jetzt groß im Raum. Der Aufsichtsrat des Konzerns, der am 7. April Schrempps Vertrag als Vorstandschef bis zum Jahr 2008 verlängerte, hat zwar in seiner außerordentlichen Sitzung am Donnerstagabend den neuen Kurs abgesegnet: Rückzug vom angeschlagenen japanischen Partner Mitsubishi.

Strategie gescheitert

Doch Schrempps Strategie des weltumspannenden Autokonzerns mit je einer Produktionssäule in Europa, USA und Asien gilt nun allgemein als gescheitert. Und deshalb schießen Spekulationen ins Kraut, die Zukunft des Vorstandsvorsitzenden sehe eher düster aus. Angeblich will sich der DaimlerChrysler-Aufsichtsrat auf seiner nächsten regulären Sitzung am 28. April in New York nicht nur mit der künftigen Asien-Strategie befassen, sondern auch mit Schrempps Schicksal. Es spricht jedoch nicht viel dafür, dass der Schöpfer der Welt AG bald seinen Hut nehmen oder sogar dazu gezwungen wird.

Vertreter der Kleinaktionäre sehen die Zukunft des 59-Jährigen skeptisch. "Schrempp ist stark angeschlagen", meint Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Der Rückzug von Mitsubishi sei das Ende seiner Vision, einen Weltkonzern zu schmieden, und die heftige Kritik, der sich der Daimler-Chef jetzt ausgesetzt sieht, schade dem Unternehmen.

"Schrempp steht unter gewaltigem Druck und arbeitet jetzt nur noch daran, seine eigene Reputation zu retten", befürchtet Hocker. Es werde wohl schwierig für den Top-Manager, bis zum Auslaufen seines Vertrags an der Konzernspitze zu bleiben.

So ganz leuchtet diese Argumentation indes nicht ein. Schrempp hat ja - wenn auch für alle ziemlich überraschend - genau das exekutiert, was die Anwälte der Kleinaktionäre und die Manager der großen Investmentfondsgesellschaften auf der turbulenten Hauptversammlung im April von ihm gefordert haben: das Mitsubishi-Abenteuer zu beenden und für die Sanierung des überschuldeten japanischen Autobauers nicht noch mehr Geld herauszuwerfen. Zumindest hier hat Schrempp jene widerlegt, die Spitzenmanagern die Verbohrtheit in ihre Überzeugungen vorwerfen und jegliche Lernfähigkeit absprechen.

Umgeben von Ja-Sagern

Hinzu kommt ein weiterer, in letzter Zeit häufig kritisierter Umstand, der eher gegen eine Absetzung des Top-Managers spricht. Kritiker werfen Schrempp vor, er habe dafür gesorgt, dass im Vorstand vor allem Kollegen sitzen, die er gefördert hat und die deshalb seinem Kurs folgen.

Doch nicht nur das: Auch das Kontrollorgan Aufsichtsrat, so die Kritiker, bestehe in der Mehrzahl aus semi-professionellen Abnickern seiner Strategie. Beides spricht nicht gerade dafür, dass dem DaimlerChrysler-Chef alsbald der Stuhl vor die Tür gesetzt wird; schon gar nicht auf die Art, wie etwa kürzlich Infineon-Chef Ulrich Schumacher über Nacht entmachtet wurde.

Klaus Kaldemorgen jedenfalls, Chef von Deutschlands größter Aktienfonds-Gesellschaft DWS, gibt Schrempp und seinen Kollegen noch eine Schonfrist: "Es dürfte klar sein, dass sich das Daimler-Management jetzt keine Fehler mehr leisten darf."

© SZ vom 26.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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