Daimler: Hauptversammlung in Berlin:Zetsches kleine Endzeitmusik

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Daimler-Chef Zetsche schwört die Aktionäre mit einer Blut-, Schweiß- und Tränenrede auf harte Zeiten ein. Erstmals spricht er öffentlich das hässliche E-Wort aus - E wie Entlassungen.

Dagmar Deckstein und Michael Kuntz

Noch vor dem obligatorischen Totengedenken gibt es den ersten Zwischenruf bei der Daimler-Hauptversammlung im Berliner Congress Centrum. "Das stimmt doch gar nicht", tönt es aus der Tiefe des Saales mit mehr als 6000 Aktionären, als Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Bischoff auf die Notwendigkeit der Sicherheitskontrollen an den Eingängen hinweist.

Dieter Zetsche stellt sich in Berlin den Daimler-Aktionären. (Foto: Foto: ddp)

Der aus früheren Hauptversammlungen bereits bekannte Zwischenrufer im hellbraunen Sommeranzug hat zwar mit der Berliner Rimini-Theatergruppe nichts zu tun, die sich eingeschleust hatte, um die Aktionärsversammlung als Machtinszenierung zu entlarven. Doch wegen der angekündigten Umgestaltung der Versammlung in ein Bühnenspektakel macht Bischoff vorab eines deutlich: "Sie befinden sich hier auf der Eigentümerversammlung eines der bedeutendsten industriellen Unternehmen unseres Landes. Das ist hier weder ein Schauspiel noch ein Theaterstück."

Auf der Bühne mit dem dunkelblauen Hintergrund stehen in Hellblau eine Limousine und ein Sportcoupe der neuen E-Klasse. Das ist die wirtschaftlich wichtigste Baureihe bei Mercedes, deren neues Modell in diesem Jahr dafür sorgen muss, dass der Aktienkurs von Daimler nicht noch einmal um fast 60 Prozent abrutscht, so wie im vorigen Jahr.

Stiller Protest

Für Sicherheit und optische Reinheit wird umfassend gesorgt. Ein Wächter mit Knopf im Ohr bittet im Foyer einen Jungaktionär, doch sein T-Shirt auszuziehen, das dieser darauf hin artig mit seiner Jacke zudeckt. Auf dem Shirt: Dieter Zetsches Konterfei unter der Frage: "Kennen Sie Deutschlands größten Waffenhändler?" Eine Anspielung auf die 22 Prozent Anteile, die Daimler immer noch am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS hält.

Zetsche indessen verliert kein Wort über Waffen, dafür umso mehr über Autos. Eine Art kleiner Blut-, Schweiß- und Tränenrede hat er für die Aktionäre parat, mit Einsprengseln von Hoffnungsschimmern. Und erstmals nimmt Zetsche das hässliche E-Wort in den Mund: Zum einen käme Daimler ohne einen substanziellen Lohnverzichtsbeitrag der Belegschaft nicht heil durch dieses Krisenjahr 2009, zum anderen aber stellte er in Aussicht, "dass wir im äußersten Fall auch Entlassungen nicht ausschließen können, wenn die Krisendynamik anhält". Das Daimler-Mananagement werde nicht zulassen, dass ein Unternehmen gefährdet wird, "dessen Marken und Produkte weltweit als Aushängeschild der deutschen Industrie gelten", sagt Zetsche.

Im Wettlauf um die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebe werde Daimler trotz der Krise Gas geben. "Eiserne Kostendisziplin ist in der Automobilindustrie heute zwar eine notwendige Bedingung zum Überleben der Gegenwart", sagt Zetsche. "Wer aber zulässt, dass der Rotstift an die Stelle strategischer Planung tritt, gefährdet seine Zukunft."

Daimler wolle bei "grüner" Technologie und alternativen Antriebstechniken an der Spitze der Bewegung vom Öl- zum Nach-Öl-Zeitalter fahren und dem Motto folgen, das Bundespräsident Horst Köhler kürzlich so formulierte: Es reiche nicht mehr, dass Deutschland die besten Autos der Welt baue, es müssten auch die besten Autos der Zukunft der Welt sein.

Verluste schon eingeplant

Vorerst stellt sich der Stuttgarter Autokonzern jedoch auf weitere herbe Einbrüche in diesem Jahr ein, das erste Quartal, so Zetsche, werde wohl "deutlich negativ" ausfallen - also mit einem Verlust. Die Talsohle der weltweiten Automobilkrise werde wohl nicht vor der Jahresmitte durchschritten sein, wenn überhaupt.

Aber der Daimler-Chef räumt auch eigene Versäumnisse ein, nicht rechtzeitig auf den heftigen Einbruch der Autokonjunktur reagiert zu haben: "Ich gebe zu, im Nachhinein würden wir uns wünschen, wir hätten Mitte letzten Jahres sogar noch früher gebremst", sagt er selbstkritisch. Das heißt, Daimler hat zu viele Autos auf Halde produziert. In der Verwaltung sollen die Kosten im laufenden Jahr noch einmal um 500 Millionen Euro gedrückt werden. So habe das Unternehmen auch bei Dienstreisen und Beraterkosten den Sparkurs "nochmals drastisch verschärft", sagt Zetsche.

Auch die Aktionäre sollen sich mit einer von 2,00 Euro auf 0,60 Euro gekappten Dividende zufriedengeben.

Den Posten des Strategievorstands wird der Konzern nach dem Wechsel von Rüdiger Grube auf den Chefsessel der Deutschen Bahn einsparen. Die Aufgaben werden künftig auf Zetsche, Finanzvorstand Bodo Uebber und den neuen Personalvorstand Wilfried Porth verteilt. Um die Bilanz zu entlasten, soll außerdem die Zahl der auf Halde produzierten Fahrzeuge nach und nach zurückgefahren werden.

© SZ vom 9.4.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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