Daimler-Chef Schrempp:Immer Ärger mit den Aktionären

Lesezeit: 2 min

Auf Hauptversammlungen ist die offene Kritik an den Chefs angesehner Konzerne selten. Doch bei DaimlerChrysler gibt es zu viele Krisenherde. Jürgen Schrempp muss sich des Vorwurfs erwehren, er habe den Konzern nicht mehr im Griff.

Von Karl-Heinz Büschemann

Jürgen Schrempp hat sein Versprechen nicht gehalten. "Wir bringen die Geschäfte in Ordnung", rief der Vorstandschef von DaimlerChrysler den frustrierten Aktionären zu.

Schrempp war auf der Hauptversammlung vor einem Jahr kritisiert worden wie nie zuvor. Am heutigen Mittwoch muss er in den Messehallen in Berlin wieder eingestehen, dass im größten deutschen Industriekonzern viel schief gelaufen ist.

Wohl noch nie in seiner zehnjährigen Amtszeit hatte der 60-jährige Manager so viele Brandherde gleichzeitig zu löschen wie in den vergangenen zwölf Monaten. Und wieder haben sich Kritiker angemeldet.

Unangenehme Fragen

Die Investment-Gesellschaft Union Investment will sich sogar bei der Entlastung des Konzernvorstandes der Stimme enthalten.

Andere werden den Vorstand mit unangenehmen Fragen piesacken. Die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz behauptet, Schrempp habe den Konzern "nicht im Griff."

Solche Kritik hat für Schrempp keine rechtlichen Folgen. Aber sie ist peinlich. Auf Hauptversammlungen ist die offene Kritik an den Chefs angesehner Konzerne durch Investorengruppen selten. Doch bei DaimlerChrysler gibt es zu viele Krisenherde.

Die Börse sieht Schrempp kritisch

Sogar der Staatsanwalt ist im Konzern unterwegs, um krumme Geschäfte des Vertriebs aufzuklären. Einige Leiter von Mercedes-Niederlassungen mussten sogar ihre Posten verlassen.

Schrempp hält seinen Kritikern aber entgegen, es sei ihm gelungen, den US-Firmenteil Chrysler und die Nutzfahrzeugsparte in Ordnung zu bringen. "Wir haben uns in diesem Jahr gut entwickelt."

Die Börse sieht den Manager allerdings kritisch. Seit dem letzten Aktionärstreffen hat die Daimler-Aktie etwa 4,5 Prozent ihres Wertes verloren. Der deutsche Aktienindex Dax hat in dem selben Zeitraum aber um etwa 7,5 Prozent zugelegt.

Kunden kaufen bei Konkurrenz

Auch im Autogeschäft sind die Mercedes-Zahlen unerfreulich. Die Traditionsmarke Mercedes hat im vergangenen Jahr in Europa fast vier Prozent ihres Absatzes verloren. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2005 ging der Absatz sogar weltweit zurück.

Die Käufer halten sich wegen Qualitätsmängel zurück, was bei Mercedes bisher als undenkbar galt. Doch das Ansehen der Marke war so angegriffen, dass mancher Kunde lieber ein Auto von der Konkurrenz kaufte.

Erst vor einer Woche verkündete Mercedes die größte Rückrufaktion der Firmengeschichte. Etwa 1,3 Millionen Fahrzeuge aus allen Modellserien mit Ausnahme der A-Klasse müssen zur Nachbesserung in die Werkstätten - mehr als die komplette Jahresproduktion von Mercedes.

Das kostet Ansehen und Geld. Die angesehene Marke ist nicht zuletzt wegen der drohenden Kosten von Rückrufaktionen im letzten Quartal von 2004 an den Rand der Verlustzone geraten.

Smart-Verluste

Auch die Verluste der Marke Smart verdunkeln Schrempps Bilanz. Der Kleinwagen hat DaimlerChrysler bisher Verluste von 2,6 Milliarden Euro zugefügt - vieles davon geht auf Management-Fehler zurück. BMW hat zur selben Zeit aus dem "Mini" einen Erfolg gemacht. "Das Geschäftsmodell von Smart stimmt nicht", musste Schrempp einräumen.

Aus dem Stuttgarter Konzern dringt ungewöhnlich häufig Management-Krach nach außen. Ende April des vergangenen Jahres trennte sich DaimlerChrysler überraschend von Wolfgang Bernhardt, einem schneidigen jungen Manager, der Mercedes in Ordnung bringen wollte.

Wenige Tage vor seinem Amtsantritt wurde er gefeuert. Er hatte offenbar die Gunst von Konzernchef Schrempp verloren. Jetzt freut sich der VW-Konzern über den begabten Automanager.

Ärger gab es auch mit dem langjährigen Finanzchef Jürgen Gentz, der längst durch einen Schrempp-Vertrauten ersetzt worden ist. Gentz, ein nüchterner Zahlenmensch, hatte im Oktober 2004 kühl das mögliche Ende des Smart angekündigt. "Wir prüfen alle Optionen". Wütend korrigierte Schrempp seinen Zahlen-Chef öffentlich - um ein halbes Jahr später ein dickes Sanierungsprogramm für den Stadtflitzer aufzulegen.

© SZ vom 6.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: