Conti-Übernahme durch Schaeffler:"Ein völlig intransparentes Unternehmen"

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Die IG Metall hat massiven Widerstand gegen die Übernahme-Pläne des Autozulieferers Schaeffler angekündigt. Die Gewerkschaft will mit allen Mitteln verhindern, dass ein "völlig intransparentes Unternehmen möglicherweise die Continental AG übernimmt und zerschlägt."

Die Gewerkschaft IG Metall hat sich in scharfer Form gegen eine mögliche Übernahme von Continental durch Schaeffler ausgesprochen und zugleich massiven Widerstand angekündigt.

Angeblich seit Wochen geplant: die Übernahme von Continental durch Schaeffler. (Foto: Foto: dpa)

Seit Jahren ohne Aufsichtsrat

"Wir werden mit allen Mittel verhindern, dass ein völlig intransparentes Unternehmen möglicherweise die Continental AG übernimmt und zerschlägt", sagte Hartmut Meine, niedersächsischer IG-Metall-Bezirksleiter und Conti-Aufsichtsratmitglied am Montag. "Maria-Elisabeth Schaeffler hat in der Vergangenheit Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsinteressen mit Füßen getreten." Die Struktur von Schaeffler verhindere seit Jahren einen Aufsichtsrat.

Die Gewerkschaft bezweifelt, dass die Familie Schaeffler die Conti-Übernahme unter den aktuellen Kapitalmarktbedingungen finanzieren kann. "Den Kauf kann die Familie wahrscheinlich nur schultern, wenn sie die Reifensparte zum Kauf anbietet", sagte Meine. "Industriepolitisch macht eine mögliche Zerschlagung des Unternehmens überhaupt keinen Sinn."

"Beim Essen kann man sich auch verschlucken"

Das jetzige Profil von Continental, sowohl Reifen, Automobilelektronik und Bremssysteme anzubieten, sei unternehmenspolitisch sinnvoll. Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte: "Beim Essen kann man sich auch verschlucken."

Continental hat ein erstes kurzes Gespräch über ein mögliches Engagement der Schaeffler-Gruppe an dem Unternehmen in Hannover bestätigt. Das Gespräch habe Ende vergangener Woche stattgefunden, weitere habe es nicht gegeben, teilte Conti am Montag mit.

Zur feindlichen Übernahme bereit

"Sobald die Schaeffler-Gruppe ihre Überlegungen substantiiert hat, wird der Vorstand der Continental AG diese prüfen und zu den Ergebnissen in angemessener Weise weiter informieren", hieß es in der Mitteilung.

Medienberichten zufolge plant der Wälzlagerkonzern Schaeffler ein Übernahmeangebot von mehr als 10 Milliarden Euro für den wesentlich größeren Autozulieferer und Reifenhersteller Conti. Die Gruppe in Herzogenaurach sei bei einer Zurückweisung auch zu einer feindlichen Übernahme entschlossen, schrieb die britische Financial Times.

Schulden durch die VDO-Übernahme

Ein Conti-Sprecher wollte dies nicht kommentieren. Er verwies aber auf die grundsätzliche Haltung seines Unternehmens: Der Konzern sei offen für Investoren, die die langfristige Strategie und Geschäftspolitik des Unternehmens unterstützen und die Conti nicht zerschlagen wollten. "Wer aber eine feindliche Übernahme anstrebt, dem wünschen wir viel Glück. Er wird es brauchen", fügte der Sprecher hinzu.

Die familiengeführte und nicht börsennotierte Schaeffler-Gruppe wolle für Conti dem Vernehmen nach nicht nur über 10 Milliarden Euro zahlen, hieß es in Berichten. Hinzu komme die Übernahme von Schulden in Höhe von rund 11 Milliarden Euro.

Drittgrößter Autozulieferer weltweit

Die Verschuldung des Continental-Konzerns war im Wesentlichen durch die Übernahme des Autozulieferers Siemens VDO im vergangenen Jahr entstanden. Danach war auch der Aktienkurs deutlich gesunken. Angetrieben von den Übernahmephantasien setzten sich die Conti-Papiere am Montag mit einem deutlichen Kurssprung an die Dax-Spitze. Der Conti-Kurs sprang um 24,15 Prozent auf 66,99 Euro, zeitweilig ging es bis auf 68,50 Euro hoch.

Mit einem Zusammenschluss von Continental und der Schaeffler-Gruppe könnte der weltweit drittgrößte Autozulieferer entstehen. Das ergaben Berechnungen der Branchenzeitung Automobilwoche auf Basis des Umsatzes beider Unternehmen als Erstausrüster der Autoindustrie 2007. Continental habe Zulieferteile im Wert von rund 25 Milliarden Dollar an die Autohersteller verkauft. Die Schaeffler-Gruppe habe Wälzlager, Getriebe und Motorenelemente für mehr als 7 Milliarden Dollar abgesetzt.

Auf der nächsten Seite: Die Schaeffler-Gruppe - einer der größten Industriekonzerne unter Familienführung.

Continental mit Firmensitz in Hannover arbeitete sich im Ranking bereits durch die Übernahme von Siemens VDO vom zwölften auf den vierten Platz vor. Auf dem ersten Rang liegt die Bosch-Gruppe mit einem Umsatz von 38,16 Milliarden Dollar, darauf folgen der Zeitung zufolge der japanische Ausrüster Denso (35,7 Milliarden Dollar) und Magna International aus Kanada (25,65 Milliarden Dollar).

Industrieriese im Familienbesitz

Die Schaeffler-Gruppe mit Sitz im fränkischen Herzogenaurach ist eines der größten deutschen Industrieunternehmen in Familienbesitz.

Unter den Marken INA, LuK und FAG produziert die Gruppe Lager und andere Bauteile für den Maschinenbau, die Luft- und Raumfahrt und die Autoindustrie - insgesamt rund 40.000 Produkte. Mit einem Umsatzanteil von rund 60 Prozent ist die Autoindustrie der Hauptkunde. Mit weltweit rund 66.000 Mitarbeitern in 35 Werken erzielte die Gruppe 2007 einen Umsatz von 8,9 Milliarden Euro.

Die Gruppe geht zurück auf die Brüder Wilhelm und Georg Schaeffler, die 1946 nach der Flucht aus Schlesien in Herzogenaurach neu anfingen und die Firma INA gründeten. Damals stellte das Unternehmen noch Leiterwagen und andere Produkte hier. Bahnbrechend war die Erfindung eines sogenannten Nadellagers. Auch in den Folgejahren gelangen dem Unternehmen weitere erfolgreiche Erfindungen im Bereich der Kugellagertechnik. Zu den großen Schritten der Firmengeschichte gehören der Kauf des Kupplungsherstellers LuK 1999 sowie der Erwerb der FAG Kugelfischer 2001.

Gesellschafter der Schaeffler-Gruppe sind heute Maria-Elisabeth Schaeffler und Georg F. W. Schaeffler. Der Geschäftsführung sitzt Jürgen M. Geißinger vor.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/ddp-bay/Reuters/AP/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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