Container-Boom:TUI kauft sich eine zweite Reederei

Lesezeit: 3 min

Europas größter Touristikkonzern lässt sich die Übernahme der kanadisch-britischen CP Ships 1,7 Milliarden Euro kosten, was einem Aufschlag von 25 Prozent gegenüber dem Börsenpreis entspricht. Die Frachtraten sind zwar auf Rekordniveau, die Börse ist dennoch wenig begeistert.

Meite Thiede

Der TUI-Konzern will die Containerreederei CP Ships für 1,7 Milliarden Euro übernehmen und damit die Schifffahrt als zweites Standbein neben der Touristik stärken. Das Angebot enthält eine Prämie von 24,9 Prozent. Der Vorstand von CP Ships empfiehlt seinen Aktionären die Annahme der Offerte.

Das Containerschiff "Hamburg Express", einer der größten und schnellsten Frachter der Welt. (Foto: Foto: dpa)

Wenn die CP-Ships-Aktionäre das TUI-Angebot annehmen, entsteht unter dem Dach von Europas größtem Reisekonzern die fünftgrößte Containerreederei der Welt.

Derzeit liegt die Hamburger TUI-Tochter Hapag-Lloyd (HL) - nach Kapazität gerechnet - auf Platz 13 und die kanadisch-britische Reederei auf Platz 16. Das Angebot von 1,7 Milliarden Euro oder zwei Milliarden Dollar entspricht einem Preis von 21,50 Dollar je Aktie.

Schulden mit im Übernahmepaket

TUI übernimmt außerdem Schulden von netto 261 Millionen Euro, so dass die Transaktion insgesamt einen Wert von fast zwei Milliarden Euro hat.

Die Akquisition eröffne TUI zusätzliche Wachstumsperspektiven, sagte Konzernchef Michael Frenzel am Sonntag in Hannover. Das Kerngeschäft Touristik werde aber nicht an Bedeutung verlieren.

Frenzel erwartet von der Integration des Neuerwerbs mögliche Synergien von 180 Millionen Euro jährlich ab dem dritten vollen Jahr nach Abschluss der Transaktion. Die Kosten der Eingliederung bezifferte er mit etwa 100 Millionen Euro. Vor Abschluss der Integration, der für 2008 erwartet wird, werde das TUI-Konzernergebnis je Aktie allerdings noch nicht von der Übernahme profitieren.

Der alte Chef bleibt der neue

Chef des fusionierten Unternehmens soll der derzeitige HL-Vorstandsvorsitzende Michael Behrendt werden.

Seit Jahren wächst HL stärker als der ohnehin boomende weltweite Containertransport. Getrieben vom Asien-Handel wird der Markt nach Angaben von Behrendt bis 2008 um weitere 25 Prozent auf mehr als 100 Millionen TEU, der Maßeinheit für Standard-Container, wachsen.

Von einer bevorstehenden Abschwächung der Raten, über die gelegentlich in der Branche spekuliert wird, kann er nichts bemerken. Die Raten, also die Transportpreise, lägen derzeit auf Rekordniveau; 2006 werde es - wenn überhaupt - nur "einen Dip" geben. 2007 und 2008 würden die Raten dann wieder auf das aktuelle hohe Niveau zurückkehren.

Das sei schon deshalb zu erwarten, weil die Hafen-Kapazitäten in Asien begrenzt seien und die Knappheit die Preise treibe. HL und CP Ships ergänzten sich sowohl bei den Linien als auch bei der Kundenstruktur, meinte Behrendt.

Zusammen kommen die Unternehmen auf 139 Schiffe - HL besitzt 57, CP Ships 82 - mit 410.000 TEU (HL: 215.000 TEU, CP Ships: 195.000 TEU). Diese Flotte wird in den kommenden Jahren um 19 bereits bestellte Schiffe ausgebaut. Während HL große Containerschiffe mit Stellplatz von bis zu 8750 TEU hat, sind die Schiffe von CP 4000 TEU groß.

Verbesserungsmöglichkeiten

Behrendt bescheinigte CP Ships ein respektables Ergebnis, sieht aber noch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten. Nach der Profitabilität gerechnet ist HL Weltspitze in der Branche. So hat zum Beispiel CP Ships im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von drei Milliarden Euro und 2,3 Millionen transportierten Containern ein Ergebnis (Ebitda) von nur 200 Millionen Euro erwirtschaftet, während HL bei 2,7 Milliarden Euro Umsatz und 2,4 Millionen Containern 388 Millionen Euro verdiente.

TUI erwartet, dass der Erwerb im vierten Quartal abgeschlossen werden kann. Eine Bankenfinanzierung für die Transaktion sei sichergestellt, sagte Frenzel. TUI plane eine Bezugsrechts-Kapitalerhöhung, die eine Milliarde Euro bringen soll.

Die negative Reaktion der Börse am Freitag, als TUI die Expansionspläne bestätigte, führt Frenzel auf einen Mangel an Informationen zurück. In den nächsten Tagen werde der Vorstand bei Roadshows und Analystengesprächen Gelegenheit haben, seine Argumente für den Kauf darzulegen. Auch am Montag löste die Übernahme an der Börse allerdings keine Begeisterungsstürme aus. Die TUI-Aktie lag kurz nach Handelsöffnung in Frankfurt am Main bei bei 19,47 Euro, 2,16 Prozent unter dem Schlusskurs vom Freitag.

Weiteres Wachstum erwartet

Die optimistische Markteinschätzung des HL-Vorstands wird von Claus Brandt, Wirtschaftsprüfer und Partner bei Price-Waterhouse-Coopers, allerdings geteilt. "Im Moment ist jeder froh, wenn sein Container überhaupt mitkommt", sagte der Schifffahrtsexperte der Süddeutschen Zeitung. Dass die Raten weiter zulegen können, glaubt er aber - anders als HL-Chef Behrendt - nicht. Weil gleichzeitig die Kosten stiegen, werde der Druck auf die Erträge der Reeder zunehmen. Eine Weitergabe höherer Ausgaben an die Kunden sei kaum möglich.

Auf dem stark wachsenden Markt ist nach Brandts Einschätzung noch Platz für neue Anbieter. Er rechnet folglich damit, dass trotz der jetzigen Konsolidierungswelle in fünf Jahren - wie heute - 20 große Anbieter den Markt dominieren.

Vor allem in Asien gebe es einige derzeit nur regional arbeitende Reedereien, die expandieren wollten. Da gleichzeitig in China neue Großwerften gebaut würden, die schon in ein oder zwei Jahren Aufträge annehmen könnten, sei weiteres Wachstum bei diesen asiatischen Reedern vorstellbar.

© SZ vom 22.08.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: