Commerzbank-Vorstand:"Die Kunden wollen bessere Beratung"

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Selbstkritische Worte eines Commerzbank-Managers: Die Banken hätten Anleger oft falsch beraten. Aber Achim Kassow wundert sich auch über die Kunden.

Martin Hesse

Viele Privatkunden trauen sich derzeit nicht, ihre Geldanlagen neu zu strukturieren, obwohl es oft nötig wäre. Die Banken tragen daran eine Mitschuld, sagt Achim Kassow, Vorstand Privat- und Geschäftskunden bei der Commerzbank. Man habe zu oft Renditeberatung statt Anlageberatung geleistet.

Commerzbank-Vorstand Achim Kassow sagt selbstkritisch: "Die Kunden wünschen sich noch mehr Beratungsqualität." (Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Kassow, können die Menschen nach allem, was passiert ist, den Banken noch vertrauen?

Achim Kassow: Sie können, und sie tun es auch. Zwar haben Kunden heute ein kritischeres Bild von den Banken allgemein. Aber aus unseren aktuellen Befragungen wissen wir, dass fast 80 Prozent der Kunden ihrer Hausbank vertrauen. Wenn es eine langfristige Vertrauensbeziehung zum eigenen Berater gibt, dann trägt das durch die Krise. Für das Vertrauen in die Branche hat die Regierung viel getan. Als Bankkunde muss man sich in Deutschland um seine Ersparnisse keine Sorgen machen.

SZ: Verliert die Commerzbank aufgrund der Verunsicherung Kunden?

Kassow: Im Gegenteil: Wir haben im ersten Quartal sowohl bei der Dresdner als auch bei der Commerzbank unter dem Strich Kunden hinzugewonnen, insgesamt 58.000.

SZ: Woher kommen die Kunden?

Kassow: Seit Jahren ist der Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Banken im Privatkundengeschäft rückläufig.

SZ: Das Sparkassenlager wirft der Commerzbank vor, sie nutze die Staatshilfe, um den Sparkassen mit marktfernen Konditionen Kunden abzujagen.

Kassow: Die Argumentation ist sehr durchsichtig. Da die Kapitalverstärkung eine sehr kurze Geschichte hat, der Marktanteilsverlust der Sparkassen aber eine jahrelange, sehe ich da keinen Zusammenhang. Entscheidend ist: Die Commerzbank ist für Kunden attraktiv.

SZ: Es gab aus dem Sparkassenlager den Vorschlag, Banken, an denen der Staat beteiligt ist, einen Preiskorridor für Zinskonditionen vorzugeben. Was halten Sie davon?

Kassow: Das würde ja heißen, dass man auch den Sparkassen einen Preiskorridor vorgeben müsste, denn sie sind zum Großteil im Besitz der Kommunen. Da zeigt sich: Preisregulierung nützt einem Marktführer mit sinkenden Marktanteilen - also hier den Sparkassen -, weil sie den Wettbewerb reduziert. Ein Kundeninteresse sehe ich nicht.

SZ: Sie wollen also den Sparkassen weitere Marktanteile abjagen?

Kassow: Ja. Aber Vorrang hat zunächst die Integration der Dresdner Bank. Wir übernehmen rund fünf Millionen Privatkunden und verdoppeln dadurch unseren Marktanteil. Diese Kunden brauchen eine neue Heimat.

SZ: Wie groß ist die Gefahr, dass Dresdner-Kunden sich von der Commerzbank abwenden, weil zwei unterschiedliche Bankenkulturen zusammengeführt werden?

Kassow: Nur ein einstelliger Prozentbereich ist sowohl Kunde bei der Dresdner als auch bei der Commerzbank. Es gibt gute Gründe, weshalb sich Kunden für das eine oder das andere Haus entschieden haben. Deshalb werden wir die Integration in einem längeren und abgestuften Prozess durchführen.

Im zweiten Teil: Warum Achim Kassow einen Finanz-TÜV für Bankprodukte sinnvoll findet - und welche Gefahren er bei einer Umkehr der Beweislast bei der Bankberatung sieht.

SZ: Werden Sie die Kunden umsortieren, etwa weil sich die Dresdner Bank stärker als die Commerzbank an vermögendere Privatkunden gewandt hat?

Kassow: Die ersten Gespräche mit unserem Kundenbeirat haben gezeigt, dass die Kunden vor allem mehr Kontinuität in der Beziehung zwischen Kunde und Berater wollen. Deshalb werden wir mit den Kunden sehr behutsam umgehen und so wenig wie möglich ändern.

SZ: Welche Erkenntnisse hat der Kundenbeirat noch gebracht?

Kassow: Die Kunden wünschen sich noch mehr Beratungsqualität. Wir wissen aus Umfragen, dass rund 30 Prozent der Bankkunden nach einem Beratungsgespräch mit dem Gefühl die Bank verlassen, dass sie nicht alles verstanden haben. Aber etwa die Hälfte von ihnen würde nicht nachfragen. Wichtig ist, dass wir den Kunden in seiner individuellen Situation sehen und entsprechend beraten.

SZ: Anleger haben binnen zehn Jahren zweimal sehr viel Geld verloren. Wie wirkt sich das auf ihr Verhalten aus?

Kassow: Wie in jedem Abschwung trauen sich viele Privatkunden derzeit nicht, ihre Geldanlagen neu zu strukturieren - und das ist ein Problem, weil die Anlagestruktur von vor zwei Jahren heute kaum noch passt. Wir Banken tragen daran eine Mitschuld. Wir haben in den vergangenen Jahren zu oft Renditeberatung statt Anlageberatung geleistet. Natürlich interessiert viele Kunden primär, was unter dem Strich herauskommen kann. Zu einer guten Anlageberatung gehört aber auch, dass man deutlich über Risiken spricht, über Liquidität und die Anlegermentalität.

SZ: Was heißt das für die Zukunft?

Kassow: Die Regulierungsdiskussion bietet die Chance, echten Qualitätswettbewerb zu schaffen. Gute Regulierung kann zu Standards in der Anlageberatung führen. Der Kunde muss erkennen können, was gute und schlechte Beratung unterscheidet, nur so kann er Qualität vergleichen.

SZ: Ist die Pflicht, Beratungsgespräche zu protokollieren, wie es der Entwurf für das Beratungsgesetz vorsieht, praktikabel?

Kassow: Wichtig ist, dass wir die Dokumentation nicht nur als eine Formalie verstehen, die allein der rechtlichen Absicherung dient. Es gilt, die Beratungsleistung wirklich sichtbar zu machen.

SZ: Entscheidend ist doch, wer für falsche Beratung haftet. Wäre es nicht sinnvoll, die Beweislast umzudrehen, so dass die Bank eine gewissenhafte Beratung nachweisen muss?

Kassow: Das könnte dazu führen, dass Banken zu nichts mehr raten, was mit Risiko verbunden ist. Der Kunde profitiert von der Rendite, muss aber auch das entsprechende Risiko kennen und tragen. Berater müssen dann haften, wenn sie die Regeln guter Beratung verletzt haben.

SZ: Wäre ein Finanz-Tüv sinnvoll, um eine Mindestqualität bei Produkten zu sichern?

Kassow: Für Basisprodukte ja. Das würde helfen, Standards zu setzen. Ein Gütesiegel für alle Anlageprodukte halte ich für problematisch: Ratings gibt es ja schon - aber sie schützen nicht vor Verlusten.

SZ: Der Kunde hat ein Interesse an ausführlicher Beratung und einfachen Produkten, die Bank verdient am besten, wenn sie viele komplexe Produkte gegen Provision verkauft. Wie lässt sich dieser Konflikt auflösen?

Kassow: Für mich ist es kein sinnvoller Einsatz von Ressourcen, wenn Kunden, die einfach nur ruhig schlafen wollen, permanent Depotumschichtungen empfohlen werden. Ob einfach oder komplex, viel Umschichtung oder wenig, das kann sich nur an der individuellen Kundensituation orientieren.

© SZ vom 14.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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