Christo-Projekt:Orange, rot, gold - Tuch aus deutschen Landen

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Das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude verlässt sich für sein Kunstwerk im Central Park auf Wertarbeit aus Krefeld, Taucha und Emsdetten. Grund genug für ein wenig Patriotismus.

Von Finn Mayer-Kuckuk

Deutsche Stoffbahnen werden sich in New York von deutschen Papphülsen abrollen.

Grund genug für ein wenig Patriotismus: Hiesige Mittelständler unterstützen das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude bei ihrer Umgestaltung des Central Parks.

Einen Reichstag als Objekt zum Verhüllen hat Deutschland diesmal nicht angeboten, aber immerhin das, was man - zumindest im Ausland - gemeinhin mit Städten wie Krefeld, Taucha oder Emsdetten verbindet: Wertarbeit.

Papprohre aus Krefeld

Mittelständler aus diesen Orten haben das Tuch hergestellt, das an den Toren hängen wird, die im ganzen Park verteilt sind. Die Tücher sind so vorbereitet, dass sie sich schnell ausbreiten lassen.

Denn die Mitarbeiter des Künstlers stellen die Tore nicht komplett mit wehenden Stoffbahnen auf. Noch hängt der Stoff auf Papprohre aufgerollt oben an den Querstangen der Tore.

Am Samstag wird ein Heer von Helfern an jedem Tor eine Reißleine ziehen. Dann soll die schimmernde Stoffbahn bis knapp über die Köpfe der Schaulustigen hinabrollen und darf im Wind wehen.

Die Papprohre zum Aufwickeln des Tuchs kommen von einem Spezialisten für Hartpapier, der Firma Corenso-Elfes aus Krefeld mit 157 Mitarbeitern. Zwar hat die Familie Elfes ihren Betrieb 1998 an den finnischen Papphülsen-Marktführer Corenso verkauft, ein Elfes blieb jedoch als Geschäftsführer in der Firma.

"Für uns war die Order von Christo ein eher kleiner Auftrag", sagt Projektleiter Winfried Willsch. Corenso-Elfes liefert sonst große Stückzahlen von Papprollen an Industriebetriebe - von zwei Zentimeter schmal bis elf Meter lang. Normalerweise wickeln dann Maschinen dicke Rollen Folien oder Papiere auf die Hülsen.

VEB Favorit

Für Christo musste Willsch nur 7532 Stück herstellen - pro Tor eine Hülse. Der Künstler brauchte die Papphülsen in 33 verschiedenen Längen, denn die Tore im Central Park sind an die Breite der Wege angepasst.

Die Hülsen haben knapp zehn Zentimeter Durchmesser. Den aufgerollten Stoff schützt eine Plastikhülle. Die Hülle ist mit einem Stück Kreppband verschlossen, der Reißleine, an der die Helfer am Samstag ziehen werden.

Das Papprohr soll dann auf den Boden fallen, während das Tuch sich abrollt. "Unsere Hülsen werden dann eingesammelt", sagt Willsch. Die leeren Rollen fuhren im vergangenen Jahr im Laster von Krefeld quer durch die Republik nach Taucha in Sachsen.

Dort sitzt die Bieri Zeltaplan GmbH, deren 18 Mitarbeiter LKW-Planen oder Partyzelte nähen. Zu DDR-Zeiten, damals noch als VEB Favorit, beschäftigte der Betrieb über tausend Mitarbeiter und versorgte die DDR und andere Ostblockländer mit Campingzelten.

2000 kaufte die Schweizer Bieri-Gruppe das Unternehmen, nachdem es Konkurs anmelden musste. "2004 lief unser Geschäft aber schon wieder gut", sagt Geschäftsführerin Ramona Höfler.

Maßgeschneidert

Zusätzlich bekam sie den Auftrag von Christo, die Gewebebahnen für seine Tore zu schneidern und auf die Papphülsen zu wickeln. Um die Arbeit stemmen zu können, musste Höfler zwei Näherinnen und einen Verpacker zusätzlich einstellen.

Eine halbe Million Euro ließen es sich die Künstler kosten, ihr Gewebe in Taucha nähen zu lassen. Normalerweise verteilt Christo kritische Arbeiten auf mehrere Firmen, um das Ausfallrisiko zu verringern - es ist ihm wichtig, den Zeitplan einzuhalten.

Doch die Zeltaplan hatte 1995 für die Verhüllung des Reichstags so präzise geliefert, dass sie diesmal den Auftrag allein erhielt. "Unsere Mitarbeiter waren enttäuscht, als alle Arbeiten erledigt waren", sagt Höfler. Für so einen spektakulären Zweck nähe man nur alle zehn Jahre - zudem sei die Verarbeitung einfach gewesen.

Weil die Tücher in so vielen Breiten maßzuschneidern waren, kam eine automatische Herstellung nicht in Frage, die Näher fertigten die Gewebebahnen in anderthalb Jahren Handarbeit: zuschneiden, Falten setzen, säumen und die wulstige Schnur einnähen, die in eine Nut in den Toren eingeführt wird.

Verschiedenfarbig reflektierender Stoff

Bieri Zeltaplan erhielt die nötigen 104.001 Quadratmeter Stoff aus dem nordrhein-westfälischen Emsdetten. Die Firma J. Schilgen GmbH hat für Christo schon Stoffe für die Verhüllung des Reichstags und von Bäumen in Basel geliefert.

Anfang der neunziger Jahre hatte Kunstfreund und Firmeninhaber Stephan Schilgen Christo einen Brief geschrieben, in dem er seine Fähigkeit vorstellte, Stoffe mit fast beliebigen Eigenschaften anbieten zu können.

"Christos Vertrauter Wolfgang Volz kam 2003 mit sehr genauen Vorstellungen von der Farbe und Textur des Stoffes zu mir", sagt Schilgen. Er ließ für den Künstler ein Polyamid-Gewebe entwickeln, das je nach Lichteinfall orange, golden, rot oder gelb reflektiert.

Volz nahm Proben mehrerer Varianten mit zu Christo und Jeanne-Claude, die den ihrer Meinung nach effektvollsten Stoff aussuchten. Am Freitag fliegt Schilgen nach New York, um sich das Schauspiel anzusehen: "Wir sind stolz, das Gewebe gemacht zu haben, das dann Teil dieses Kunstwerks wird."

Wenn Christos Truppe die Tore Ende Februar wieder abbauen muss, will sie alles verwendete Material zur Wiederverwertung geben. Für die Stoffe aus Emsdetten bedeutet das: Sie werden geschreddert und zu Teppichunterbau oder zu Geotextilien für den Straßenbau. Die 7532 Papphülsen von Corenso-Elfes aus Krefeld kann Christo ganz einfach zum New Yorker Altpapier geben.

© SZ vom 11.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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