Chipfabrik:Das "Wunder" wird zu den Akten gelegt

Lesezeit: 2 min

Ein entlassener Wirtschaftsminister, eine finanziell überbelastete Kommune und eine Fabrikhalle als weitere Investitionsruine im Land Brandenburg. Das "Wunder von Frankfurt" in Gestalt der geplanten Chipfabrik bleibt aus.

Statt sprudelnder Steuerquellen, 1500 neuer Arbeitsplätze und solventer Mieter für leer stehende Plattenbauten gibt es nun ein Millionenloch im Haushalt der Stadt, die zu Gunsten begleitender Infrastrukturmaßnahmen sogar soziale Vorhaben drosselte.

Der Ausbau von Frankfurt (Oder) zum High-Tech-Standort war in der Mark von Anfang an umstritten. Als der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) im Februar 2001 das Vorhaben der erstaunten Öffentlichkeit präsentierte, winkten viele sofort ab.

Große Nummer

In Brandenburg waren schließlich schon zahlreiche kostspielige Großprojekte kläglich gescheitert. Eine Investition von 1,3 Milliarden Euro erschien angesichts von Brandenburgs Haushaltsproblemen um einige Nummern zu groß, auch wenn der US-Chiphersteller Intel und das arabische Emirat Dubai die Gesellschafter sein sollten.

Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) warnte Fürniß umgehend vor unübersehbaren Millionenrisiken für die Steuerzahler. Skeptiker sahen das Land schon um die am Frankfurter Institut IHP entwickelte Technologie geprellt. Der US-Konzern Intel als kleiner Gesellschafter könnte sie beim Scheitern des Projekts quasi kostenlos mitnehmen.

Massive Fehler

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) resümierte gerade dieser Tage massive Fehler bei der Planung des vor drei Jahren angeschobenen Prestige-Vorhabens. Damals hatte Platzecks Vorgänger, der heutige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD), die Regierungsverantwortung.

Stolpe, der nie müde wurde, die Wichtigkeit des Projekts für ganz Ostdeutschland zu betonen, hatte in der vergangenen Woche gemahnt, Brandenburg müsse "endlich seine Hausaufgaben in Sachen Chipfabrik machen".

Die Projektfinanzierung war von Anfang an die Schwachstelle der Chipfabrik. Kaum ein Tag verging, an dem nicht Medien über neue Finanzlöcher, steigende Kosten und über ergebnislose Suche nach Mitgesellschaftern berichteten. Je undurchsichtiger und schwieriger die Situation wurde, desto verschlossener gaben sich die Ministerien.

Stillschweigen vereinbart

"Wir können dazu nichts sagen. Es ist Stillschweigen vereinbart", hieß es stereotyp aus dem Wirtschaftsressort, das anfangs jeden noch so kleinen Projektfortschritt vermeldet hatte. Alle waren besorgt, durch eine unbedachte Äußerung das wacklige Konstrukt zum Einsturz zu bringen. "Ich bin froh, dass ich von dem Vorhaben nichts weiß", bekannte ein Sprecher in Potsdam freimütig.

Die spärlichen Informationen wiederum ließen Spekulationen, Gerüchte und Halbwahrheiten sprießen - nicht gerade zum Nutzen des Vorhabens. Nachdem sich das Wirtschaftsvorhaben längst zum handfesten Politikum ausgewachsen hatte, ruhten schließlich die Hoffnungen auf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).

Leere Hände

Doch der "Genosse der Bosse", der im August 2002 den Grundstein für die Fabrik in der strukturschwachen Region legen sollte, kam von einer Reise zu den Scheichs mit leeren Händen zurück. Das arabische Emirat Dubai als Hauptinvestor wollte nicht mehr Geld geben, verlangte seinerseits Bürgschaften von Bund und Land Brandenburg für die erforderlichen Millionenkredite.

Und der Bürgschaftsausschuss von Bund und Land, der sein Votum über Monate hinauszögerte, erteilte schließlich Auflagen, die vielfach als unüberwindliche Hürde betrachtet wurden. Die CDU-Fraktionsvorsitzende im Potsdamer Landtag, Beate Blechinger, warf der Bundesregierung vor, die Chipfabrik scheitern lassen zu wollen.

Stolperstein

"Der Schwarze Peter soll nun dem Land Brandenburg und dem Emirat Dubai zugeschoben werden." Es sei schwer vorstellbar, dass Brandenburg seine Landesbeteiligung um weitere 38 Millionen Euro erhöhen könne. Denn das Land müsse Milliarden einsparen.

Für Fürniß wurde der Ausflug in die internationale Welt der Hochtechnologie zum Stolperstein. Der aus dem Badischen stammende Minister musste seinen Hut nehmen, nachdem bekannt wurde, dass er sich von einem Dubai-Scheich einen privaten Millionen-Kredit geben lassen hatte.

Fürniß Nachfolger Ulrich Junghanns konnte nur noch den Notstand verwalten und musste nun mit bitterer Miene das Aus verkünden.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: