Einmal im Jahr treffen sich der chinesische Ministerpräsident, der EU-Ratspräsident und der Brüsseler Kommissionschef zu einem Gipfel, und oft gehen sie unverrichteter Dinge auseinander. 2016 und 2017 war das so; vor einem Jahr in Peking gab es immerhin ein gemeinsames Abschlusskommuniqué - in allerletzter Minute. Diesmal beim 21. EU-China-Gipfel war erwartet worden, dass Premier Li Keqiang Brüssel wieder einmal verlässt, ohne dass beide Seiten sich auf eine Erklärung geeinigt haben, zu groß schienen die Differenzen zwischen der Volksrepublik und der Europäischen Union.
Mitte März hatte die EU-Kommission ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem China zum ersten Mal als "strategischer Rivale" bezeichnet worden war. Die Brüsseler Beamten gaben zudem konkrete Handlungsempfehlungen, wie man Chinas Drang nach Europa am besten einhegen könne: Bei Firmenübernahmen, lautete der Ratschlag, soll künftig überprüft werden, woher das Geld stammt - damit staatliche Subventionen aus China nicht zu Marktverzerrungen führen. Ein Vorschlag, der in Peking für Unmut sorgte. Und dennoch gelang es am Dienstag, nach 50 Stunden Verhandlung, der chinesischen Delegation Zugeständnisse abzutrotzen. Bis kurz vor Schluss hatten Vertreter aus der Volksrepublik versucht, Passagen aus dem gemeinsam Entwurf zu entfernen oder umzuschreiben, wie ein EU-Diplomat später berichtete - vergeblich.
Die EU verpflichtet China zu einer besseren Behandlung von europäischen Firmen. Beide Seiten einigten sich auf Gespräche zum Abbau von Subventionen für die chinesische Industrie und auf ein Ende der erzwungenen Offenlegung europäischer Forschungsergebnisse. Auch ein bilaterales Investitionsschutzabkommen, über das seit Jahren gesprochen wird, soll vorangetrieben werden. Die Fortschritte bei den Verhandlungen sollen kontinuierlich überwacht und schriftlich fixiert werden, damit China nicht auf Zeit spielen kann. "Das ist ein Durchbruch", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Zum ersten Mal hat China sich bereit erklärt, in dem zentralen Punkt der Reform der Welthandelsorganisation mit Europa zusammenzuarbeiten."
Im Gegenzug zeigt sich die EU grundsätzlich offen für den Einsatz chinesischer Technologie beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes. Die USA hatten die Europäer zuletzt aufgerufen, den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei nicht zu beteiligen, aus Furcht vor Spionage und Sabotage. "Wir haben nicht bestimmte Anbieter oder Länder im Visier", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. "Wir haben einen offenen Markt - und jeder, der sich an die Regeln hält, kann Zugang erhalten."
"Wichtig ist, die in die richtige Richtung weisenden Ergebnisse konsequent umzusetzen."
Was also hat Peking getrieben, einzulenken? War es die Zusage, dass Huawei in Europa doch nicht außen vor ist? Oder war es der Konflikt mit den USA? Die Angst der chinesischen Führung ist jedenfalls groß, in einen Handelskrieg mit zwei Fronten zu geraten. Auf der einen Seite die USA, auf der anderen die EU. Mit Washington steht eine Einigung noch aus, Zölle in Milliardenhöhe belasten die chinesische Wirtschaft.
"Wichtig ist, die in die richtige Richtung weisenden Ergebnisse des EU-China-Gipfels konsequent umzusetzen", meinte einen Tag nach dem Gipfel Stefan Mair, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Sein Verband hatte Anfang des Jahres ein viel beachtetes Positionspapier vorgelegt, in dem eine neue China-Strategie der Europäischen Union angemahnt worden war. Im Unterschied zu vergangenen Wortmeldungen hatte der BDI diesmal darauf verzichtet, Reformen von Peking einzufordern und nicht wie sonst hilflos auf die Gleichbehandlung europäischer und chinesischer Unternehmen zu pochen. Stattdessen unterbreitete der BDI Vorschläge, wie sich die Europäer mit Chinas Ausdehnung arrangieren können. Beispiel öffentliche Ausschreibungen: Künftig sollten in Europa nur noch Unternehmen aus Staaten zum Zuge kommen, die dem Übereinkommen zum öffentlichen Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation beigetreten sind. Die chinesische Führung hat die WTO-Regeln nicht ratifiziert. Entweder China bewegt sich oder ist außen vor, das scheint man in Peking nun besser zu verstehen.
"Die Geschlossenheit der EU im Vorfeld hat sich bereits jetzt ausgezahlt", lobte BDI-Mann Meir. "Sie sollte unbedingt in Zukunft beibehalten werden."