Chemie- und Pharmakonzern:Volle Konzentration, volles Risiko

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Bayer streicht 12 000 Stellen und verkauft weitere Sparten. Für Aktionäre ist die Ankündigung gut und schlecht zugleich. Denn Abschreibungen und Jobabbau kosten Milliarden - doch es gibt auch Chancen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Der Kahlschlag in Leverkusen kostet zunächst vier Milliarden Euro. Doch will Bayer künftig mehr Geld für die Forschung ausgeben. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Unter Investoren galt Bayer lange als Vorbild dafür, wie sich ein Traditionskonzern nach und nach von Randsparten trennt, um sich auf jene wenigen Felder zu fokussieren, die das größte Wachstum versprechen. Die Leverkusener brachten mit Lanxess und Covestro zwei Töchter an die Börse, konzentrieren sich seither auf Arzneigeschäft und Agrochemie. Dies gipfelte diesen Sommer in der Milliardenfusion mit Monsanto, der größten Übernahme, die ein hiesiger Konzern je im Ausland gewagt hat. Mit ihr will Bayer zum unangefochtenen Weltmarktführer für Saatgut und Pflanzenschutz aufsteigen.

Doch hat die Aktie seit Jahresbeginn ein Drittel an Wert verloren. Anleger fürchten die gut 9000 Klagen gegen Monsanto, seitdem ein US-Gericht die Bayer-Tochter im Sommer erstmals zu einem millionenschweren Schadenersatz verurteilte, weil sie nicht ausreichend vor den Gefahren ihres Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gewarnt habe. Nun will der Konzern - unabhängig davon - in allen Sparten etwa 12 000 Arbeitsplätze abbauen, einen "signifikanten Teil" davon in Deutschland.

Und die Fokussierung geht weiter. Bayer will sich von der Tiermedizin trennen. Das Geschäft wächst zwar, doch wolle man das Geld lieber in besagte Kernsparten investieren. Auch seine Sonnenschutz- und Fußpflegeprodukte will der Konzern verkaufen, ebenso seine Beteiligung an Currenta, einem Dienstleister mit Fabriken in Leverkusen, Dormagen und Uerdingen.

An der Börse trifft der Umbruch auf ein gespaltenes Echo. In der Stunde nach der Ad-hoc-Mitteilung am Donnerstag verlor die Aktie zunächst gut zwei Prozent an Wert. Nicht nur, weil der Stellenabbau einmalig vier Milliarden Euro kosten wird, etwa für Abfindungen. Auch weil Bayer weitere 3,3 Milliarden Euro abschreiben muss, da teuer zugekaufte Gesundheitsprodukte nun doch nicht so viel Geld bringen wie erhofft. Eine neue Fabrik in Wuppertal benötigt der Konzern nun ebenfalls nicht. Am Freitag gewann Bayer an der Börse zeitweise wieder knapp drei Prozent an Wert.

Wie die Agentur Bloomberg auflistet, empfehlen 71 Prozent der Analysten die Aktie zum Kauf, nur drei Prozent raten ab. Im Schnitt sehen sie das Papier langfristig wieder bei 93 Euro, wenngleich sich die Kursziele von Analyst zu Analyst stark unterscheiden. Zu unsicher scheint zum einen, wie die vielen Glyphosatklagen wohl ausgehen werden. Zum anderen ist fraglich, mit welchen verschreibungspflichtigen Medikamenten der Konzern in den nächsten Jahren sein Geld verdienen will. Die Patente der derzeit erfolgreichsten Produkte, des Blutverdünners Xarelto und des Augenmittels Eylea, laufen Mitte des nächsten Jahrzehnts aus. Daher will Bayer nun mehr Geld für die Forschung ausgeben und mehr Innovationen von außen zukaufen.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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