Chefwechsel:Überraschung bei Disney

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Nicht mehr Mickey Mouse, sondern Filme wie die „Eiskönigin“, dessen Fortsetzung gerade in den Kinos läuft, prägen heute das Image von Disney. (Foto: picture alliance/dpa)

Der langjährige Konzernchef Chef Bob Iger tritt ab - er war ein Garant für den Erfolg. Der Nachfolger Bob Chapek kennt die Firma gut.

Wer wissen will, wie bedeutsam Bob Iger für den Disney-Konzern ist, sollte sich an diesen Moment bei der Weltpremiere von Star Wars: Rise of Skywalker vor wenigen Wochen in Los Angeles erinnern. Der Rote Teppich ist auf dem Hollywood Boulevard ausgerollt worden, das letzte Kapitel der Sternenkrieg-Saga wird in gleich drei legendären Kinos neben dem Walk of Fame gleichzeitig uraufgeführt - darunter in dem Saal, in dem jährlich die Academy Awards vergeben werden. Viel größer geht es nicht in dieser Branche, Regisseur J.J. Abrams droht vor Aufregung umzukippen, er sagt: "Das hier ist furchterregend." Da klopft ihm Iger auf die Schulter und zwinkert ihm zu. Die Botschaft: locker bleiben, alles wird gut. Abrams lächelt erleichtert.

Es wurde alles gut, der Film hat weltweit bislang mehr als eine Milliarde Dollar eingespielt, und das lag vor allem daran, dass Iger das genau so geplant hatte: Er hatte 2012 den Zukauf des Star-Wars-Imperiums Lucasfilm für vier Milliarden Dollar eingefädelt und die Erweiterung der US-Freizeitparks um das megalomanische Sternenkrieg-Universum Galaxy's Edge genehmigt, die alleine in Los Angeles eine Milliarde Dollar gekostet hat. In Schanghai hat der Konzern 2016 gar einen 5,5-Milliarden-Dollar-Park komplett neu eröffnet.

Kurz vor der Premiere hatte er das Streamingportal Disney+ auf den Markt gebracht, das sämtliche Disney-Werke enthält sowie Inhalte anderer Iger-Zukäufe wie Zeichentrickfilme von Pixar (2006, 7,4 Milliarden Dollar), Avengers-Abenteuer von Marvel (2009, vier Milliarden) oder Serien von 21st Century Fox (2019, 71 Milliarden). "Ich habe das Gefühl, das wir gut aufgestellt sind und eine Strategie entwickelt haben, die sich nun entfaltet", sagte Iger, nachdem er am Dienstag völlig überraschend seinen sofortigen Rückzug als Konzernchef verkündet hatte.

"Warum jetzt?", fragte Laura Martin von der Analysefirma Needham, und eine mögliche Antwort darauf ist: weil es gerade am schönsten ist. Der Konzern hatte im vergangenen Geschäftsjahr 70 Milliarden Dollar eingenommen und einen Gewinn von zehn Milliarden erwirtschaftet. In der Kinokasse erlebte Disney mit Filmen wie "Avengers: Endgame", "Toy Story 4", "Lion King" und "Aladdin" das finanziell erfolgreichste Jahr seiner Geschichte, das Streamingportal ist mit 28,6 Millionen Abonnenten in weniger als drei Monaten überaus erfolgreich gestartet und entwickelt sich zum gefährliche Konkurrenten für Netflix.

"Ich will mich mehr um kreative Aspekte kümmern, das ist mit den Aufgaben im Tagesgeschäft nicht vereinbar", sagt Iger, dessen Vertrag noch bis Ende 2021 läuft. Sein Titel lautet nun "Executive Chairman", er geht in den Verwaltungsrat, er ist damit nicht nur formal noch immer der Vorgesetzte seines Nachfolgers als CEO, Bob Chapek. Das bedeutet: Iger tritt zurück, er ist aber nicht weg. Er hat seine Nachfolge geregelt und übergibt nach 15 Jahren an der Spitze an Bob Chapek, der bislang den größten Konzernbereich (Freizeitparks und Konsumgüter) mit mehr als 170 000 Angestellten verantwortet hat. Er wolle seinem Nachfolger mit Rat und Tat zur Seite, aber eben nicht im Weg stehen, sagte Iger, und so für einen möglichst reibungslosen Übergang sorgen.

Genau das ist dem Konzern nicht immer gelungen. Michael Eisner, der Iger als seinen Nachfolger ausgewählt hatte und ihn nun für diesen Rückzug gepriesen hat ("fantastische Leistung"), hatte sich 2005 derart mit Walt-Disney-Neffe Roy verkracht, dass er hatte zurücktreten müssen. Iger selbst hatte schon eher aufhören wollen, Zeitpunkt und Nachfolge indes nicht klar geregelt - weswegen hochrangige Manager wie Thomas Staggs und Jay Rasulo den Konzern erzürnt verließen. Iger blieb länger Chef, identifizierte Chapek als idealen Nachfolger und übergab ihm nun früher als erwartet das Zepter - wohl auch, um mögliche Machtkämpfe zu vermeiden, schließlich hatten sich auch Kevin Mayer und Peter Rice Hoffnungen gemacht.

Iger, 69, kam 1996 zum Disney-Konzern, nachdem er sich davor 22 Jahre lang beim TV-Sender ABC nach oben gearbeitet hatte. 2000 wurde er die Nummer zwei hinter Eisner, fünf Jahre später Chef, und er zeigte von Beginn an, dass er das Mäuse-Imperium nicht verwalten, sondern vergrößern wollte. "Viele Leute haben Angst vor dem großen Wurf", schrieb er in seiner Biografie 2019: "Sie schauen sich die Wahrscheinlichkeiten an und argumentieren dann gegen das Projekt, ohne jemals einen Versuch unternommen zu haben." Viele der teuren Zukäufe galten als extrem riskant, haben sich letztlich aber gelohnt - auch für Iger, dessen Arbeit im vergangenen Geschäftsjahr mit 48 Millionen Dollar vergütet worden ist.

Er hat mit Chapek einen Nachfolger gewählt, der nach 26 Jahren im Konzern das Unternehmen kennt - und auch nicht vor Entscheidungen zurückschreckt, die bei Disney-Fans erstmal nicht gut ankommen. So hat er die Preise für Jahrestickets in Freizeitparks kürzlich um bis zu 18 Prozent erhöht. Die Besucher kommen trotzdem. "Ich habe großes Vertrauen in Bob und freue mich auf die Zusammenarbeit", sagt Iger. In seiner Biografie "Ride of a Lifetime" hatte er angedeutet, dass er nicht ewig Chef sein wolle: "Es ist nicht gut, wenn eine Person zu viel Macht hat. Selbst wenn ein Chef produktiv und effektiv ist, so ist es für einen Konzern bedeutsam, an der Spitze zu tauschen."

Noch einmal: Iger tritt als Vorstandschefzurück, aber er hört nicht auf, und was das bedeutet, war ebenfalls auf der Weltpremiere von Star Wars: Rise of Skywalker zu sehen. Es war der letzte Teil der ursprünglichen Saga, Iger sagte jedoch schon vor Beginn des Films: "Wir haben noch viele Geschichten aus diesem Universum zu erzählen." Hätte man geahnt, dass er ein paar Wochen später als Chef aufhören würde, dann hätte man die Botschaft schon damals kapiert: Iger hat den Konzern auf die Zukunft vorbereitet. Alles wird gut.

© SZ vom 27.02.2020 / SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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