Chancen im Netz:Selber verdienen

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Internet-Nutzer überlegen, ob sie ihre Daten nicht von Google & Co. vermarkten lassen, sondern das selbst tun. Aber würde sich das lohnen?

Von Jan Schwenkenbecher, München

Es gibt da diesen einen Satz, im Ursprung mehr als 45 Jahre alt, der die Welt von heute wohl so gut beschreibt wie kein anderer. Im März 1973 veröffentlichten die beiden Künstler Richard Serra und Carlota Fay Schoolman einen Kurzfilm, eine Kritik kommerzieller Massenmedien. Darin heißt es: "Es ist der Konsument, der konsumiert wird. Du bist das Produkt des TVs." Über Jahre immer wieder stets etwas anders zitiert, schrieb am 26. August 2010 der Nutzer "blue_beetle" in ein Internet-Forum: "Wenn du nicht dafür bezahlst, bist du nicht der Käufer; du bist das Produkt, das verkauft wird." Damit hatte der blaue Käfer nicht weniger als das Geschäftsmodell der modernen digitalisierten Welt beschrieben.

Schärfer denn je wird derzeit überlegt, ob nicht die Nutzer von Google oder Facebook Geld dafür bekommen sollten, dass sie den Unternehmen ihre Daten zur Verfügung stellen. Schließlich machen die Firmen damit Milliardengewinne. Ein viel diskutierter Ansatz ist, dem Nutzer die Möglichkeit zu geben, selbst aktiv mit seinen Daten zu handeln, sie also an die Unternehmen verkaufen zu können. So kann er selbst entscheiden, ob er das machen möchte und für wie viel Geld - und sich so emanzipieren vom "Produkt".

Die Open Knowledge Foundation Deutschland hat 2016 in einem Report vier Bedingungen formuliert, die dazu nötig sind. Erstens müssten Verbraucher angeben können, welche Unternehmen Zugriff auf ihre Daten bekommen. Zweitens müssten sie bestimmen dürfen, wie lange die Unternehmen zugreifen dürfen und wann die Daten automatisch gelöscht werden. Darüber hinaus müssten Unternehmen drittens Auskunft darüber erteilen, welche Daten sie vom nachfragenden Verbraucher besitzen. Viertens müsste transparent sein, woher ein Unternehmen die Daten hat und ob sie noch weiter verbreitet wurden. Einige Punkte wurden mittlerweile durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gestärkt. Etwa das Recht auf Vergessenwerden, mit dem Nutzer die von ihnen gespeicherten Daten löschen lassen können.

Eine ganze Reihe von Projekten gibt es bereits, die auf dieses Geschäftsmodell setzen: Mit Einverständnis der Verbraucher sammeln sie deren Daten und vermarkten sie an Konzerne. Ein einzelner Datensatz ist so gut wie gar nichts wert. Aber hat man ein paar Tausend beisammen, können Firmen daraus Schlüsse für ihre Werbekampagnen ziehen. Die meisten der Projekte versprechen zwischen 30 und 100 Dollar im Jahr, bei manchen gibt es stattdessen Gutscheine oder Rabatte. So richtig etabliert ist allerdings noch keines von ihnen.

Es könne durchaus sein, dass ein solcher Markt entstehe, schrieb der ehemalige schleswig-holsteinische Innenminister und Ex-Bundesbeauftragte für Datenschutz Hans Peter Bull im Juli in der Fachzeitschrift Computer und Recht. Als besonders wertvoll und teuer würden aber nicht die Normalverbraucher eingeschätzt, "sondern diejenigen, die sich teure Kleidung und teure Autos, seltene Kunstgegenstände und Luxusreisen leisten können". Geld verdienen könnte damit also nur, wer Geld hat.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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