Central European University:Ende eines Erfolgsmodells

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Die von Mäzen George Soros gegründete CEU gibt dem politischen Druck nach und verlässt Budapest.

Von Carlos Collado Seidel

Mehr als 25 Jahre lang ist die Central European University (CEU) in Budapest ein Traumziel für privat Studierende gewesen. Die US-akkreditierten Master- und Promotionsstudiengänge werden dort in Fächern wie Mathematik, Wirtschaft oder Politikwissenschaft angeboten. Erst 2016 bezog die CEU in Budapest ein neues, 20 Millionen Euro teures Gebäude. Im QS World University Ranking lagen Studiengänge der CEU weltweit unter den besten 100. Das wird vielleicht so bleiben, doch der Standort Budapest ist in seiner jetzigen Form passé. Ab Herbst 2019 können alle, die an der CEU ein Studium aufnehmen wollen, dies nur noch in Wien tun, in Budapest kann man lediglich noch fertig studieren. Die Entscheidung für den Umzug ist das Resultat des heftigen politischen Drucks, den die rechtskonservative ungarische Regierung unter Viktor Orbán auf CEU-Gründer George Soros ausgeübt hat.

Der 1930 als Kind jüdischer Abstammung in Budapest geborene George Soros musste sich im Zweiten Weltkrieg nach der deutschen Besetzung Ungarns wegen der Judenverfolgung versteckt halten. Nach dem Krieg wanderte er in die USA aus und häufte mit Spekulationsgeschäften ein Milliardenvermögen an. Seit den 1970er-Jahren engagierte er sich im Rahmen der Open Society Foundations (OSF), die vom Gedanken der offenen Gesellschaft nach Karl Popper geleitet werden. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs intensivierte er sein Engagement, um den Wandel der ehemaligen Ostblockstaaten hin zu freiheitlichen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnungen voranzubringen.

In diesem Zusammenhang steht die Gründung der CEU im Jahr 1991. Zunächst mit Standorten in verschiedenen Hauptstädten des ehemaligen Ostblocks und ab 1996 mit alleinigem Sitz in Budapest setzte sich die CEU das Ziel, durch Ausbildung von Führungskräften zur Bewältigung des Übergangsprozesses beizutragen und Freiheits- und Menschenrechte in der Gesellschaft zu verankern.

Mit der Machtübernahme von Orbán im Jahr 2010 stießen die Aktivitäten der CEU jedoch zunehmend auf Kritik seitens der Regierung. Vor allem das Eintreten von Soros für Initiativen, die sich für Rechte und den Schutz von Flüchtlingen einsetzen, löste einen Konflikt aus, der im Jahr 2015 im Zuge der Flüchtlingskrise eskalierte. Die Regierung hält die Zuwanderung für eine existenzielle Bedrohung der ethnischen, kulturellen und religiösen Einheit der ungarischen Nation.

Es folgten gesetzliche Regelungen, die die Arbeit dieser Nichtregierungsorganisationen (NGO) massiv beschränken und kriminalisieren. Das NGO-Gesetz vom Juni 2017 sieht, analog zu dem im Jahr 2012 in Russland erlassenen, vor, dass sich alle Organisationen, die finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland erhalten, als "ausländische Agenten" registrieren lassen und jeden erhaltenen Betrag unter Nennung der Spender öffentlich machen müssen. Der an die von Soros unterstützten NGO gerichtete Vorwurf lautete, politischen Aktivismus unter dem Deckmantel der humanitären Arbeit zu betreiben.

Im April 2017 verabschiedete das ungarische Parlament wiederum ein Hochschulgesetz, das im Kern auf die in New York registrierte CEU zielte und den Beinamen "Lex Soros" erhielt. Unter anderem verpflichtet es Universitäten, die einen Sitz außerhalb der EU haben, zur Unterhaltung eines eigenen Campus und zum Angebot vergleichbarer Studiengänge in diesem Land. Zudem sei hierfür ein gesondertes bilaterales Abkommen erforderlich.

Die CEU erfüllte alle Auflagen, doch weigerte sich die ungarische Regierung, das erforderliche Abkommen mit dem Staat New York zu unterzeichnen. Die CEU gab daraufhin bekannt, nach Wien überzusiedeln. Mitte Mai hatten zuvor die OSF mitgeteilt, aufgrund des "zunehmend repressiven politischen und rechtlichen Umfelds in Ungarn" ihren Sitz von Budapest nach Berlin zu verlegen.

Soros' Aktivitäten sind auch in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas auf Widerstand gestoßen. So zog sich die CEU 1996 nach Konflikten mit der Prager Regierung unter Václav Klaus aus Prag zurück. Im November 2015 wurden die OSF in Russland als unerwünschte Organisation eingestuft. In Polen warf Jarosław Kaczyński als Vorsitzender der nationalkonservativen Pis Soros vor, die traditionellen Gesellschaften durch Aufdrücken einer multikulturellen Ausrichtung zerstören und eine manipulierbare "Gesellschaft ohne Identität" schaffen zu wollen.

Orbán stilisierte Soros zum Hauptfeind der Nation. Im März 2018 erklärte er, dass Ungarn gegen einen Gegner kämpfen müsse, der anders sei, der nicht national, sondern international sei. Für Orbán stellt Soros die Speerspitze der internationalen Verschwörung dar: "Wir haben es zu tun mit Pressekanälen, die ausländischen Konzernen und heimischen Oligarchen gehören, angeheuerten Aktivisten, Unruhe stiftenden Organisatoren von Protesten und einer Kette von NGOs, die durch einen internationalen Spekulanten finanziert werden, die zusammengefasst den Namen George Soros tragen."

Hinter dem Vorgehen steht auch die Obsession, dass aus dem Ausland gesteuerte Kräfte sich gegen die Nation wenden und ihr ein als fremd empfundenes Gesellschaftsmodell aufstülpen wollen. Hierzu gehört auch die kürzlich verfügte Streichung von Studiengängen, die sich mit Genderfragen befassen, da sie traditionelle Geschlechterbilder infrage stellten.

Orbán beschränkt nicht nur die Freiheit der Wissenschaft, sondern hat auch die Medien weitgehend unter staatliche Kontrolle gestellt. Kätlin Kaldmaa, Generalsekretärin von PEN International, bereiste Ungarn im April 2018 als Mitglied einer Delegation. Ihr Fazit: "In Ungarn besteht eine Kultur des Monologs. Die durch die Regierung kontrollierten Medien verkünden, was von ihnen erwartet wird, und die sehr wenigen, die unabhängig sind, berichten über das, was gesagt werden muss, doch hört ihnen niemand zu. Die besorgniserregende Entwicklung der letzten Jahre bedroht die Ausübung der Meinungsfreiheit in ihrem Kernbestand."

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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