Cash-Management:Ja zu mehr Risiko

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Um Negativzinsen zu vermeiden, gehen auch konservative Mittelständler neue Wege. Ihr überschüssiges Geld legen sie auch in Aktien an.

Von Moritz Schnorpfeil

"Seit jeher legt der Mittelstand ein eher konservatives Finanzgebaren an den Tag", sagt Professor Volker Wittberg von der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld. Beim Anlegen freier Mittel steht bei vielen Mittelständlern Sicherheit im Vordergrund. Der Ertrag ist eher zweitrangig. Doch angesichts der Niedrigzinsphase zeigt sich nun ein Umdenken.

Dank der gut laufenden Konjunktur hat sich bei vielen Firmen überschüssiges Geld angesammelt. Ein Teil davon wird für das operative Tagesgeschäft vorgehalten, ein anderer Teil steht längerfristig und für strategische Zwecke zur Verfügung. Unternehmer stehen vor der Entscheidung, wie sie dieses Geld investieren wollen. "Um überhaupt positive Zinsen zu erhalten, müssen Unternehmen längere Laufzeiten realisieren oder alternative Anlageformen in Betracht ziehen", sagt Michael Zaiser, der die Abteilung für Liquiditäts- und Investmentmanagement für Unternehmenskunden bei der Landesbank Baden-Württemberg LBBW leitet. Diese Erkenntnis scheint sich auch im sicherheitsbewussten Mittelstand durchzusetzen. In einer Studie, die Professor Wittberg für die Fachhochschule des Mittelstandes und im Auftrag der Commerzbank durchgeführt hat, gaben 34 Prozent der befragten Mittelständler an, dass sie auf die Niedrigzinsen mit einer Änderung ihrer Anlagepolitik reagiert haben. Demnach hat die Bedeutung von Finanzanlagen mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten deutlich zugenommen. Für 34 Prozent der Befragten beträgt der Hauptanlagehorizont sechs Monate bis ein Jahr, das sind zehn Prozentpunkte mehr als noch im Jahr zuvor. Für weitere 38 Prozent der Mittelständler beträgt der Anlagehorizont gar mehr als ein Jahr.

Neben Sichteinlagen, Termin- und Festgeldern gewinnen alternative Anlagen an Bedeutung. So investieren 17 Prozent der Mittelständler in Unternehmensanleihen, 15 Prozent halten direkte Aktieninvestments. Das sind rund fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Auch sonst passen die Firmen ihr Verhalten an. Immerhin knapp 20 Prozent der Mittelständler benötigen keinen Bankberater mehr, da sie ihre Anlagegeschäfte ausschließlich online abwickeln.

"Für viele Kunden ist die Null-Prozent-Linie eine psychologische Schwelle."

Michael Zaiser von der LBBW beobachtet diese Trends in der Praxis. Viele Mittelständler wollten keine Negativverzinsung in Kauf nehmen. "Für viele Kunden ist die Null-Prozent-Linie eine psychologische Schwelle." Er treffe außerdem immer seltener auf Kunden, die noch von der Finanzkrise unter Schock stünden und den Geldmarkt scheuten. Sogar mit sehr risikoscheuen Kunden könne man darüber reden, bis zu welchem Maß Sicherheit sinnvoll sei, betont Zaiser. "Denn ab einem bestimmten Punkt bedeutet Sicherheit vor allem eines: sicher verlorenes Geld." Zaiser empfiehlt, sich genau anzuschauen, wie viel Geld wirklich für das operative Tagesgeschäft gebraucht wird und wie viel langfristig zur Verfügung steht. Für manche Firma kann es sinnvoll sein, kurzfristigen Geldbedarf über Darlehen abzudecken, um die freie Liquidität langfristiger zu investieren - gerade dann, wenn die Darlehenszinsen niedriger ausfallen als die langfristigen Kapitalmarktzinsen. Mittelständler haben oft einen gewissen Verhandlungsspielraum bei Transaktions- und Produktgebühren. Insbesondere wer nicht nur Anlage-, sondern auch Kreditkunde seiner Bank ist, kann hier auf Rabatte hoffen.

Professor Wittberg hat Verständnis für die Situation der Mittelständler. "Der Job eines Unternehmers ist halt eben, sein Unternehmen zu führen und nicht ein Finanzportfolio." Insbesondere kleinere Betriebe seien häufig gar nicht in der Lage, professionelles Finanzmanagement zu betreiben. So hätten viele Nachholbedarf beim Cash-Management. "Manches Unternehmen hat vier Konten bei drei verschiedenen Banken mit einem Minus im einen Konto und hohen Plus im anderen." Auch bei den Pensionsansprüchen warnt er vor Unachtsamkeit. Die Studie seines Instituts ergab, dass nur etwa 58 Prozent der Pensionsverpflichtungen der befragten Unternehmen aktuell gedeckt seien. Nur rund ein Drittel der Befragten gab an, wegen der Niedrigzinsen die betriebliche Altersvorsorge überprüfen zu wollen. Das Thema drängten viele Mittelständler beiseite, es gehöre aber auf die Agenda, sagt Wittberg. "Wer solche Brot-und-Butter Themen gelöst hat, kann sich in einem nächsten Schritt um eine ertragreichere Geldanlage kümmern."

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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