Bundesliga-TV:PR-Blendgranaten auf Fußballfans

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Als Zukunftsfernsehen gepriesen und jetzt mit 43 Kunden gestartet: Das Internet-TV der Telekom. Selbst Mitarbeiter im Call-Center "sitzen richtig doof da". Das Chaos trägt Magenta.

Hans-Jürgen Jakobs

War das ein Auftritt, war das eine Show! "Wir starten gemeinsam ein neues TV-Zeitalter in Deutschland", schwärmte Walter Raizner, Vorstand der Deutschen Telekom. Und an seiner linken Seite jubelte Premiere-Chef Georg Kofler über "eine Weichenstellung von medienhistorischer Bedeutung".

Überblick: Die Live-Bundesliga-Angebote im Pay-TV. (Foto: SZ-Grafik: Braun)

Es war alles ganz groß, ganz neu, als die beiden Visionäre am 19. Mai ihre Partnerschaft im Internet-Fernsehen (IP-TV) auf einer Pressekonferenz vorstellten.

Zehn Wochen später, am 28. Juli, war immer noch alles ganz groß, ganz neu. Diesmal sah Pay-TV-Stratege Kofler - sprachlich flexibel - einen "Hauch von Pionierzeit". Vor Raizners innerem Auge zog erneut "ein neues Zeitalter" herauf. Und gemeinsam kündigten sie die Ober-Experten Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge in deren Anwesenheit für die Live-Übertragungen von der Fußball-Bundesliga im IP-TV an.

Innovation, die nicht gesehen werden kann

Nun, am Freitag und Samstag, ist es soweit - die Bundesliga startet. Doch das so innovative Fußballprodukt, das Telekom und Premiere als Zukunfts-TV anpriesen, kann überhaupt nicht gesehen werden, auch wenn auf der Homepage www.t-online.net eine 70-minütige Aufzeichnung der Juli-Pressekonferenz als Videostream zu bewundern ist.

Am Mittwoch waren nach SZ-Informationen ganze 43 Haushalte in der Lage, das "neue TV-Zeitalter" in Augenschein zu nehmen - mittels extrem leistungsfähiger Glasfasernetze (VDSL) und moderner Multimediaboxen.

43 Haushalte, das ist ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, dass die Telekom der Deutschen Fußball-Liga pro Saison 50 Millionen Euro für die Rechte zahlt - jeder Spieltag schlägt mit fast 1,5 Millionen Euro zu Buche. Da wäre es einfacher, jedem der neuen Telekom-Abonnenten Tickets für ein Bundesligaspiel zu schenken, inklusive Flug, Logis und exklusiver Verpflegung.

PR-Blendgranaten

Die 200 Mitarbeiter, die Premiere an diesem Wochenende losschickt - samt Beckenbauer sowie Branchengrößen wie Ottmar Hitzfeld und Matthias Sammer - hätten es dann auch einfacher und persönlicher. Den beiden börsennotierten Unternehmen Telekom und Premiere ist mit ihren PR-Blendgranaten das Kunststück gelungen, zwischenzeitlich von eigenen Problemen abzulenken und dem Aktienkurs nachzuhelfen.

Dabei war schon im Mai klar, dass die Technik noch nicht so weit ist. Ungerührt aber schwadronierten Telekom-Manager von mehr als drei Millionen Haushalten in zehn Ballungszentren wie München, Berlin und Hannover, die zum Liga-Start erreichbar wären. Zu den angeblich 43 Kunden sagt T-Online-Sprecher Martin Frommhold jetzt auf Anfrage: "Kundenzahlen für das seit dem 2.August an Bestandskunden vermarktete IP-TV-Bundesliga-Paket werden nicht veröffentlicht."

Das Chaos trägt Magenta

Zwischenzeitlich war sogar angedacht worden, das IP-TV über ADSL2+, ein hochgerüstetes ADSL-Netz, zu verbreiten. Davon hat die Telekom nun Abstand genommen. Das Chaos trägt Magenta.

Wer sich die ersten Spiele der Bundesliga bei "Premiere powered by T-Com" anschauen will, hat skurrile Erlebnisse. Aus gutem Grund fällt es den Pressestellen schwer, geeignete Testhaushalte zu nennen. "In einigen Wochen können wir Testzugänge für Journalisten anbieten", macht Sprecher Frommhold Mut. Wer kann denn zuschauen? Frommhold: "Bestandskunden, die von uns angesprochen wurden und sich für unser Angebot entschieden haben." Auch Anrufe im Call-Center stiften wenig Aufklärung.

Medienpartner Kofler (re.), Raizner: Wiederholte Pressekonferenzen mit großen Sprüchen. (Foto: Foto: ddp)

Anrufer: Ich wohne in München und würde gerne das Angebot nutzen, Bundesliga über das Internet zu schauen. Was muss ich da bestellen?

Telekom: "Das freut mich sehr, dass Sie dieses Angebot nutzen wollen. Dazu brauchen sie VDSL, das ist wesentlich schneller als DSL. Und München gehört zu den ersten zehn Städten, in denen die Voraussetzungen geschaffen werden."

Was kostet mich das denn?

"Die Preise stehen noch nicht komplett fest. Circa 80 bis 90 Euro im Monat. Aber genaue Informationen kann ich Ihnen da noch nicht geben."

Dann kann ich das jetzt bestellen?

"Ich kann Sie unverbindlich in eine Datenliste aufnehmen, und wir informieren Sie dann, wenn's losgeht."

Und wann ist das ungefähr?

"Also ich finde das wirklich ganz toll, dass Sie das bestellen wollen. Also intern wurde uns gesagt, es sei ab Mitte Oktober verfügbar. Aber ein offizielles Datum kann ich nicht sagen. Wir haben noch gar keine Informationen. Wir sitzen richtig doof da im Moment."

Selten so blamiert

Selten hat sich ein Großkonzern so blamiert, und das mit einem der wichtigsten Freudenspender, dem Fußball. Die Vorgänge bestärken Kritiker, die einen radikalen Umbau im Telekom-Vorstand fordern. Der Konzern musste jetzt aufgrund schlechter Ergebnisse eine Gewinnwarnung herausgeben.

Beim Bonner Großunternehmen hält der Bund noch 32 Prozent - und der zuständige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück soll von Konzernchef Kai-Uwe Ricke abgerückt sein, von Vorstand Raizner sowieso. Der unglücklich agierende Ex-IBM-Manager hatte den Plan, die Abwanderung von Festnetzkunden mit der ganzheitlichen Vermarktung von Fernsehen, Telefon und Internet (Triple play) abzufangen. Die Kosten hierfür summieren sich leicht auf monatlich 90 Euro, inklusive der 9,95 Euro für die Bundesliga.

Verwirrung im Call-Center

Bei Premiere heißt es, das Engagement bei IP-TV lohne sich, da "wir einen dritten Verbreitungsweg fördern und damit unabhängiger von Kabel und Satellit werden", so ein Sprecher - außerdem würden neue Zielgruppen angesprochen. Im Call-Center weiß man davon wenig.

Anrufer: Ich bin Kunde von Kabel Deutschland, habe DSL und möchte Bundesliga live. Was können Sie mir bieten?

Premiere: "Für Internet haben wir noch gar keine Angebote. Aber ich kann Ihnen unser Premiere-Abo anbieten. Da zahlen Sie 14,90 Euro monatlich, einmalig 79 Euro plus 7 Euro Versand für den Decoder, plus einmalig eine Aktivierungsgebühr von 49,99 Euro."

Gibt's die Bundesliga nicht bei Arena?

"Sie sind Premiere-Kunde, schauen aber Arena. Arena hat die Bundesliga-Rechte, sendet aber über Premiere."

Ich überlege, ob ich das nicht über Internet schauen soll.

"Da brauchen Sie ja VDSL. Das soll auch so um die 100 Euro im Monat kosten. Da kommen Sie mit uns günstiger weg. Übers Internet, das ist alles technisch noch gar nicht sicher."

© SZ vom 11.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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