Bürgerbeteiligung:Cannabis und Beamte

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Eine Petition zur Verringerung der Beamtenarbeitszeit macht Karriere. Den Unterstützern geht es darum, die Stunden wieder auf 39 pro Woche zu senken.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Das Ohr ganz nah am Bürger zu haben, ist die zentrale Lebensaufgabe von Marktforschern, Werbestrategen und - in der Regel - wahlkämpfenden Politikern. Zahlreiche Studien, Sonntagsfragen und wissenschaftliche Erörterungen leuchten dazu regelmäßig das Seelenleben von Konsumenten und Wählern aus. Alternativ lohnt sich auch der Blick in die Aufzeichnungen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags. Der nämlich notiert akribisch, hinter welchen Anliegen sich Jahr für Jahr besonders viele Bürger versammeln.

Nimmt man die Listen des Petitionsausschusses als Seismograf für gesellschaftliche Unterströmungen, dann haben die Deutschen in jüngster Zeit ein ausgeprägtes Herz für die Legalisierung von Cannabis, eine bessere Versorgung von Mukoviszidose-Kranken, die Sicherung der Grenzen - und geringere Arbeitszeiten für Bundesbeamte. Letzteres wird deutlich an der steilen Karriere von Online-Petition Nummer 79906. Den Unterstützern geht es darum, die Arbeitszeit der Bundesbeamten von 41 Stunden die Woche wieder auf 39 Stunden und damit auf das Niveau der Angestellten zu senken. Am Donnerstag lief die Mitzeichnungsfrist aus; bis zum Nachmittag hatten 57 328 Online-Mitzeichner das Anliegen unterstützt - innerhalb von vier Wochen. Damit ist das Quorum erfüllt: Ab 50 000 Mitzeichner werden die Petenten in einer öffentlichen Ausschuss-Sitzung angehört.

57 328, das ist in etwa die Einwohnerzahl von Greifswald, Unna oder Euskirchen, was zugegebenermaßen begrenzt spektakulär klingt. 2017 aber haben nur sehr wenige Petitionen ähnliche Größenordnungen erreicht. Das Quorum von 50 000 Unterstützern schafften nur die Petitionen zur Legalisierung von Cannabis und zur ambulanten Behandlung von Mukoviszidose-Patienten.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 11 507 Petitionen eingereicht, darunter 703 öffentliche, die über das Internet mitgezeichnet werden konnten. Mehr als 2,1 Millionen Nutzer sind für das Petitionsportal registriert; es ist das erfolgreichste Internetangebot des Deutschen Bundestags. In der aktuellen Jahresrangliste wird die Beamten-Petition bislang nur von Petition Nummer 79822 übertroffen: Deren 65 214 Unterstützer fordern, die "Rechtmäßigkeit an den deutschen Grenzen wieder herzustellen".

Für die Beamten gibt es derweil Rückendeckung auch aus dem Bundestag selbst. "Die 41-Stunden-Woche der Beamten ist in Zeiten von Arbeitsverdichtung und Überstunden heute einfach nicht mehr zeitgemäß", sagt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen-Bundestagsfraktion. "Auch Beamte leiden zunehmend unter psychischen Arbeitsbelastungen."

Hoch gesetzt wurde die Wochenarbeitszeit für Bundesbeamte 2006. Ihnen sei damals zugesichert worden, dass sie bei besserer Wirtschaftslage wieder gesenkt werde, klagen die Petenten. Ohne nachvollziehbare Begründung sei das bis heute nicht geschehen. Angesichts der hohen Steuereinnahmen sei das " reine Willkür". "Was versprochen wurde, muss auch gehalten werden", sagt Müller-Gemmeke.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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