Braunkohle-Tagebau:Kampf um jeden Baum

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Der Tagebau Hambach nähert sich einem alten Waldstück (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Umweltschützer wollen per Klage den Braunkohle-Tagebau im Rheinland stoppen - und ein altes Waldstück retten. Doch ein Vergleich mit dem Energiekonzern RWE scheitert am Dienstag. Der Prozess zeugt vom Zielkonflikt der deutschen Klimapolitik.

Von Benedikt Müller, Köln

Für Kohle-Gegner ist der Hambacher Forst ein schicksalsträchtiger Ort: Von dem uralten Wald wird nicht viel übrig bleiben, falls die Energiepolitik keine Kehrtwende nimmt. Millionen Tonnen Braunkohle schlummern unter dem Forst etwa 30 Kilometer westlich von Köln. Bald könnte der Versorger RWE weitere Bäume roden, damit sich die großen Schaufelrad-Bagger weitere Meter durch das Revier graben können. Aktivisten haben im Herbst den Wald besetzt, Hütten in den Bäumen gebaut, um genau das zu verhindern.

Nun will der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den Tagebau Hambach per Klage stoppen und den alten Wald retten. Die Umweltschützer wittern Rechtsfehler in den Genehmigungen, die das Land Nordrhein-Westfalen dem Konzern RWE erteilt hat. Hambach, Garzweiler und Inden sind die letzten aktiven Tagebau-Standorte im rheinischen Braunkohle-Revier, das mit seinen nahen Kraftwerken als größte CO₂-Schleuder Europas kritisiert wird.

Der Prozess am Verwaltungsgericht (VG) Köln am Dienstag zeugt vom Zielkonflikt der deutschen Klimapolitik: Vor dem Gebäude trommeln Kraftwerker von RWE in Warnwesten "für bezahlbaren Strom und gute Arbeitsplätze". Neben ihnen fordern Kohlegegner das Ende der Rodungen - und einen Kohleausstieg nicht erst im Jahr 2045, wie ihn das Land Nordrhein-Westfalen bislang plant. Deutschland brauche die längst abgeschriebenen Braunkohle-Meiler nicht, argumentieren Umweltschützer; und der Staat verfehle seine Klimaziele, falls er sie nicht vom Netz nehme. Unter anderem darum stritten auch die Jamaika-Sondierer im Bund in ihren mittlerweile gescheiterten Verhandlungen.

Die Verwaltungsrichter schlagen nun einen Vergleich vor: Könnte RWE den Hambacher Forst nicht erhalten und anderswo weiterbaggern? Oder könnte der Energiekonzern nicht zunächst alle Flächen bearbeiten, auf denen kein Wald steht? "Irgendwann wird es den Kohleausstieg doch geben", argumentiert der Vorsitzende Richter Holger Maurer; dann könnte man zumindest hoffen, dass bis zu dem Zeitpunkt noch Wald übrig bliebe. Beide Vorschläge lehnen das Land und RWE ab. Das System von Bandanlagen und Bagger wäre unterbrochen, wenn man den Forst aussparte, argumentiert der Konzern; man käme nicht mehr an die Kohle heran. RWE hatte allerdings angekündigt, bis zu dem Prozess keine Bäume zu fällen, um zur Deeskalation beizutragen.

Der BUND ficht mit seiner Klage den Rahmen-Betriebsplan von Hambach an, der den Tagebau bis zum Jahr 2030 regelt. Die Naturschützer halten den Beschluss für rechtswidrig, weil die Verwaltung die Umweltverträglichkeit nicht geprüft habe. Zudem klagt der BUND gegen den Haupt-Betriebsplan für die Jahre 2015 bis 2017. Aus Sicht der Organisation verstößt dieser gegen europäisches Recht. Der Hambacher Forst sei faktisch ein Vogelschutzgebiet und potenziell ein Fauna-Flora-Habitat (FFH). Der BUND verweist auf die Bechsteinfledermaus und den Mittelspecht, die in den Eichen und Buchen hausen. Der Tagebau vernichte diese Lebensräume, argumentieren die Umweltschützer.

Nach dem gescheiterten Vergleich will das VG Köln am Freitag sein Urteil verkünden. "Egal, was wir entscheiden", sagt Maurer, der Streit dürfte weitergehen. "Die Anwälte freuen sich." Falls das Gericht dem BUND Recht gebe, könnte der Tagebau ins Stocken geraten. Oder es weist die Klage ab. "Dann ist der Hambacher Forst weg", sagt der Richter. Bis Freitag sieht das Gericht Redebedarf. "Es ist nicht so, dass die Entscheidung schon klipp und klar wäre", deutet Maurer an.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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