Boykottaufrufe gegen Nokia:"Nokia wird Imageproblem behalten"

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Der finnische Konzern will das Werk in Bochum schließen - nun formiert sich Widerstand. Doch bringt der etwas? Ein Interview mit Kampagnenberater Ulrich Wohland

Sarina Märschel

Ulrich Wohland ist Kampagnenberater und freier Mitarbeiter der "Werkstatt für Gewaltfreie Aktion".

sueddeutsche.de: Wird der Protest gegen Nokia Früchte tragen?

Ulrich Wohland: Ich denke jedenfalls, dass der Schaden, den die Marke Nokia in Deutschland nimmt, sehr nachhaltig ist. Erfahrungsgemäß sind durchgeführte Boykotte und auch Boykottaufrufe sehr nachhaltig wirksam. Auch nach vielen Jahren gibt es bei einem relevanten Teil der Bevölkerung eine Erinnerung daran, dass zu einem Produkt ein Boykottaufruf erfolgte, und viele halten sich auch noch daran. Das heißt bei Boykottaufrufen ist im Gegensatz zu vielen anderen politischen Aktionsformen eine lange Halbwertszeit gegeben.

sueddeutsche.de: Wovon hängt der Erfolg einer solchen Boykottaktion ab?

Wohland: Ein Faktor ist natürlich, dass viele Menschen dabei mitmachen. Zum zweiten, dass es ein Alternativprodukt gibt, sonst wird das boykottierte Produkt weiter gekauft. Zum dritten hängt es davon ab, dass dieser Aufruf ein zentrales, in der Regel menschenrechtliches Thema berührt. Zum Beispiel das Thema Kinderarbeit oder Umweltfragen wie beim Boykottaufruf gegen Shell 1995, als es um Brent Spar ging - oder wie jetzt das Menschenrecht auf einen Arbeitsplatz. Mit der menschenrechtlichen Relevanz verbunden: Das Thema sollte die Allgemeinheit interessieren und nicht nur einzelne Gruppen.

sueddeutsche.de: Können Verbraucher ein Unternehmer durch Boykottaufrufe unter Druck setzen?

Wohland: Ja, da besteht durchaus die Möglichkeit, einen Imageschaden oder auch einen ökonomischen Schaden zu bewirken. Auch da ist der Boykott im Zusammenhang mit der Brent Spar ein gutes Beispiel. Getankt wurde nicht bei Shell, sondern bei anderen Tankstellen.

sueddeutsche.de: Sind Boykottaufrufe Aufgabe von Politikern?

Wohland: In der Regel gehen Boykottaufrufe von Akteuren aus der Zivilgesellschaft aus, sei es Vertreterinnen von Dritte-Welt-Organisationen, Gewerkschaften, Kirchenvertretern. Aber es gibt immer wieder Situationen, wo auch Boykottaufrufe von politischer Seite formuliert werden. Das ist nicht so häufig, aber durchaus legitim.

sueddeutsche.de: Was würden Sie Nokia denn jetzt raten?

Wohland: Nokia wird auch mittelfristig ein richtiges Imageproblem behalten. Der Konzern wird sich vielleicht am Shell-Konzern orientieren: Nach dem Kommunikationsdesaster, mit der Brent Spar, versuchte Shell, sich ein positives Image zu geben durch neue, ökologische Leitlinien aber auch durch die Unterstützung von Umweltschutzprogrammen. Nokia wird gut daran tun, zumindest auf dieser Ebene nachzuarbeiten. Besser wäre es natürlich für Nokia schon jetzt ihre Standort Entscheidungen nicht nur an Gewinn Überlegungen, sondern auch am Thema soziale Verantwortung zu orientieren.

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