Börsengänge:Die neue Macht der Käufer

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Alles auf den letzten Drücker: Erst wenige Tage vor der Erstnotiz legen Unternehmen mittlerweile die Konditionen für ihren Börsengang fest. Die Unsicherheit ist zu groß.

Es wirkte schon fast komisch, wie Georg Hansel an diesem Montag mit scheinbarer Präzision die Rahmendaten für den Börsengang (Initial Public Offering, IPO) des Baumaschinenherstellers Wacker Construction präsentierte.

"Die Zeichnungsspanne wird frühestens am 3. Juli beginnen und voraussichtlich drei Tage dauern, das Börsendebüt ist frühestens für den 7. Juli vorgesehen", sagte der IPO-Experte der Deutschen Bank, die die Neuemission mit der Schweizer UBS federführend begleitet.

Zur Preispanne und zur Zahl der ausgegebenen Aktien hielt Hansel sich bedeckt. Die Einnahmen aus dem Börsengang könnten zwischen 80 und 120 Millionen Euro liegen, der Streubesitz in einer Spanne von 25 Prozent bis 45 Prozent. Sicher ist immerhin, dass der an Wacker beteiligte Finanzinvestor Lindsay Goldberg Bessemer seine Anteile komplett abgibt und die übrigen Gesellschafter mindestens noch ein Jahr beteiligt bleiben.

Mit dieser auf den ersten Blick irritierenden Informationspolitik ist Wacker Construction nicht allein. Auch Air Berlin, Wacker Chemie oder die aktuellen Kandidaten Bauer und Biofrontera (geplante Erstnotiz: 6. Juli) wendeten für die Preisfindung ein so genanntes "decoupled bookbuilding" an.

Bei diesem entkoppelten Verfahren geben die Firma und ihre Banken zunächst nur vage Rahmendaten bekannt und sondieren anschließend bei institutionellen Investoren, wie das Interesse an den Aktien ist, wie viel zu welchem Preis platziert werden könnte. Erst wenn die Nachfrage dieser Großinvestoren als gesichert gilt, wird eine - meist relativ enge - Preisspanne sowie das Emissionsvolumen festgelegt und eine in der Regel kurze Frist für die eigentliche Zeichnung.

In den Markt reinhören

"Das ist eine logische Entwicklung", sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). Angesichts des unsicheren Marktumfeldes klopften Börsenkandidaten die Zahlungsbereitschaft großer Investoren ab. "Je volatiler sich die Börse entwickelt, desto wichtiger ist es, intensiv in den Markt reinzuhören", bestätigt Dirk Notheis, Co-Chef des Investmentbankings bei Morgan Stanley in Deutschland. Das entkoppelte Preisfindungsverfahren biete diese Möglichkeit und könne ein Scheitern verhindern. Die Methode habe sich bewährt, sei aber nicht generell besser. Das herkömmliche Verfahren, bei dem Preisspanne und Emissionsvolumen früh genannt werden, biete Vorteile, wenn der Börsenkandidat sich einer hohen Nachfrage sicher sein und den Preis diktieren könne.

"Doch anders als in der Börseneuphorie vor fünf Jahren haben wir es heute mit einem Käufermarkt zu tun", sagt Matthias Born. Als Fondsmanager der Allianz-Tochter Dit profitiert er davon. "Das entkoppelte Preisfindungsverfahren ist aus unserer Sicht natürlich sinnvoll, wir kommen zu attraktiveren Einstiegspreisen", meint Born.

Privatanleger bleiben in der Sondierungsphase außen vor. "Sie erhalten harte Informationen erst, wenn institutionelle Investoren schon ausführlich informiert sind und haben dann wenig Zeit, eine Entscheidung zu fällen", kritisiert Markus Straub von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.

Der Aktionärsschützer Kurz sieht in dem Verfahren ein Indiz dafür, dass Privatanleger in den Überlegungen der Emittenten kaum eine Rolle spielen. Allerdings profitierten indirekt auch Kleinanleger von der Preissetzungsmacht der Profis, sie müssten sich eben auf deren Urteil verlassen.

Dass Privatanleger sich an den Profis orientieren, zeigt das Beispiel Air Berlin: Der Billigflieger startete schon Wochen vor seinem Börsengang eine breit angelegte Marketing-Kampagne. "Der Informationsgehalt solcher auf Privatanleger gemünzter PR geht gegen Null", sagt Kurz. In dem Glauben, bei den Privaten zusätzliche Nachfrage zu generieren, ignorierte das Management um Joachim Hunold offenbar die Signale der institutionellen Anleger. Trotz des entkoppelten Verfahrens musste Air Berlin am Ende der Zeichnungsphase die Konditionen noch ändern, um ein Scheitern des Börsengangs zu verhindern. "Privatanleger sind offensichtlich mündiger, als mancher Emittent denkt", sagt Kurz.

© SZ vom 27.06.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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