BMW:Nachdenken über das Allerheiligste

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Was Norbert Reithofer im ersten Jahr als Konzernchef erreicht hat - und warum der Autohersteller eine neue Strategie braucht.

Michael Kuntz

Seit einem Jahr steht der Maschinenbau-Ingenieur Norbert Reithofer, 51, an der Spitze von BMW. Und ein Jahr war auch die Zeitspanne, die er sich gewährt hat, um dem Weltmarkt-Führer bei Automobilen der Luxusklasse eine neue langfristige Strategie zu verpassen.

Erst im Oktober will er sie verkünden - obwohl die IAA ein gutes Podium gewesen wäre. Doch in Frankfurt sollen nach dem Willen der Münchner die Autos und nur die Autos im Mittelpunkt stehen.

Neuer Mini Clubman

Stopp-Automatik für den Motor an der Ampel, Rückgewinnung von Bremsenergie, modifizierte Getriebe und Benzineinspritzung lauten die Schlagworte. ,,Efficient Dynamics'' nennt BMW ein Paket einzelner Maßnahmen, die in ihrer Summe den Verbrauch eines Autos senken und es so umweltfreundlicher machen.

Und dann die neuen Modelle: Spektakulärer Beitrag der Bayern wird ihr in Oxford gefertigter Mini Clubman sein, ein Fünftürer deshalb, weil er sowohl hinten wie auch an der Beifahrerseite Flügeltüren aufweist.

Trotz Klimadebatte soll mit dem X6 eine Kreuzung aus Geländewagen und Coupé kommen, wegen der Klimadebatte gibt es die Studie gleich auch als Hybrid-Version. Der für BMW wirtschaftlich wichtigste Dreier kommt in einer leistungsstarken M-Ausführung, und den Einser gibt es nun auch als Coupé.

Die neuen Autos bilden die Basis für die Prognose des BMW-Chefs, dass es sich beim Rückgang der Verkäufe im ersten Halbjahr um eine durch den Modellzyklus verursachte Ausnahme handelt. Anders als 2006 soll es diesmal die zweite Jahreshälfte bringen.

Mehr Autos verkauft - immer weniger pro Auto verdient

Das muss sie auch, denn sonst stellt sich die Frage, ob die Wachstumsphilosophie von BMW noch eine Zukunft hat. In den vergangenen fünf Jahren hat die Gruppe mit den Marken BMW, Mini und Rolls-Royce zwar immer mehr Autos verkauft, verdient aber immer weniger pro Auto.

Neben dem Geschäft mit den Fahrzeugen spielt bei BMW die Entwicklung des Euro im Verhältnis zu Dollar und Yen eine wichtige Rolle. Hier ist es in diesem Jahr eher dumm gelaufen.

Der früher wegen seiner Währungsabsicherung hochgelobte Finanzvorstand Stefan Krause, 45, hat sich bei der Einschätzung des Dollarkurses gründlich geirrt, was sich im Ergebnis für das Halbjahr unangenehm niederschlug. Reithofer muss nun darauf achten, dass Krause, seit 2002 im Vorstand, nicht zur Belastung für ihn wird.

Der Konzernchef steuerte sofort gegen und kündigte bei der Hauptversammlung die Erweiterung des Werkes Spartanburg in den USA an. Dieses sogenannte Natural Hedging verringert die Abhängigkeit vom schwachen Dollar. Seit Anfang des Jahres geht Reithofer mit seinem engsten Führungszirkel im klösterlich ausgestatteten BMW-Gästehaus am Tegernsee regelmäßig in Klausur.

Das beflügelt Analysten und Branchenexperten zu kühnsten Annahmen. So wurde BMW als Interessent sowohl für Chrysler wie auch für Volvo genannt. ,,Wenn wir alles gekauft hätten, womit man uns in Verbindung gebracht hat, dann wären wir heute schon größer als Toyota'', sagt ein BMW-Manager. Doch es gibt durchaus Projekte, die Reithofer wahrscheinlich verwirklicht.

Dazu gehört die Erweiterung der Modellfamilie beim Mini durch eine Art Geländewagen. So etwas lässt sich recht einfach verwirklichen. Nach diesem Rezept gibt es bereits den Dreier als Limousine, Coupé, Cabriolet und Kombi. Diskutiert wird ein Einstiegs-Roadster, beschlossen sind ein kleiner Rolls-Royce für 2009 und ein Sportwagen Z8 für 2010.

Zwang zur Größe

Sehr sinnvoll könnte eine engere Zusammenarbeit mit Mercedes sein - jetzt, wo das Geschäft mit Personenwagen bei Daimler ohne Chrysler in etwa wieder auf BMW-Größe geschrumpft ist.

Im Gegensatz zu ihrem Wettbewerber Audi aus dem VW-Konzern haben Mercedes und BMW keine Möglichkeit, teure Entwicklungen erst in der Luxusklasse und dann in Massenautos anzubieten - und so auf hohe Stückzahlen zu kommen.

Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche hat erklärt, er könne sich die gemeinsame Entwicklung von Motoren mit BMW vorstellen. Norbert Reithofer hält sich in dieser Frage noch bedeckt, wohl wegen starker Widerstände seiner eigenen Ingenieure: Denen gilt der Motor als das Allerheiligste bei BMW.

Doch der auch für den Einkauf zuständige Forschungsvorstand Klaus Draeger ist schon einmal vorgeprescht und hat gemeinsame Projekte mit Mercedes über die vorhandene Hybrid-Entwicklung hinaus angedeutet.

Immerhin baut BMW in einige Minis bereits Motoren von Peugeot ein, ohne dass die Autos deshalb unverkäuflich geworden sind. Der Zwang zur Größe macht selbst vor Porsche als dem ertragsstärksten Unternehmen der Branche nicht halt. Bei allem Erfolg sehen die Stuttgarter Sportwagenbauer ihre Zukunft letztlich im VW-Konzern.

Zetsche sagt klar Nein zu einer kapitalmäßigen Verflechtung von Daimler und BMW. Von Reithofer heißt es in der Konzernzentrale lediglich, er sei auch radikalem Umdenken nicht abgeneigt, wenn es zu mehr Wachstum und zu einer Steigerung der Rendite führe.

© SZ vom 11.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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