Biorestaurant:Über den Tellerrand schauen

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Das Zodiac in Essen bietet seit 30 Jahren vegetarische Gerichte aus aller Welt. Die Biopizza der Betreiber zählt heute zu den beliebtesten der Stadt. Dabei war der Anfang alles andere als leicht.

Von Marcel Grzanna

Eine Reise nach Iran kann Vegetarier vor große Probleme stellen. Fleisch ist ein elementarer Bestandteil jeder Speisekarte und auch des persischen Selbstverständnisses, wenn es um die eigene Ernährung geht. Auch im Iran lebt man allerdings nicht hinter dem Mond, und neue Ernährungstrends finden auch dort ihre Anhänger. Doch Anfang der Achtzigerjahre waren Vegetarier die absoluten Ausnahmen im Land. Sowie das Ehepaar Mo und Zarin Golestan.

Durch sein Studium in England hatte Mo Golestan viele Jahre Zeit, im wahrsten Sinne des Wortes über den Tellerrand hinauszuschauen. Nach seiner Rückkehr in die Heimat führte er zwar zunächst ein traditionelles Restaurant mit vielen Klassikern der persischen Küche. Doch irgendwann entschlossen sich Zarin und er dazu, ihre Ernährung komplett umzustellen. "Wir hatten damals viel über Fleischkonsum und seine Folgen gelesen und uns einfach dazu entschieden, fortan vegetarisch zu essen", sagt Mo Golestan, der heute 75 Jahre alt ist. 1984 wanderte die Familie samt Nachwuchs nach Essen im Ruhrgebiet aus. Ging sie in ein Restaurant, blieb ihr die Wahl zwischen Dosengemüse, Pommes oder einem Beilagensalat. Also kochte sie meistens lieber selbst. Und weil die Eltern überzeugt davon waren, dass auch den Deutschen schmecken musste, was ihnen schmeckte, eröffneten sie 1987 das Zodiac, das erste vegetarische Restaurant der Region mit Produkten, die zu 100 Prozent aus ökologischem Anbau stammten.

Schritt für Schritt machte sich das iranische Ehepaar einen Namen

Es war ein mutiges Konzept, wie sich herausstellte, weil die alternativen Ernährungsphilosophien damals nicht sonderlich hipp waren. Um eine möglichst breite Klientel anzusprechen, boten die Gastronomen Speisen aus zwölf Ländern an. Für jeden sollte etwas dabei sein, außer für Fleischliebhaber eben. Trotzdem verlief der Start schleppend. "Wir haben so viele Abende fast ganz allein in unserem Restaurant gesessen. Um die ganzen vorbereiteten Speisen nicht wegschmeißen zu müssen, haben wir dann oft Freunde eingeladen und die umsonst beköstigt", erinnert sich Golestan.

Schritt für Schritt machte sich das Ehepaar einen Namen, indem es eine kreative Küche entwickelte, die bald schon im Essener Szenebezirk Rüttenscheid in aller Munde war. Zumal die Preise für die Biokost eher niedrig zu sein schienen. Wenn ein Gast wegen der günstigen Preise mal nachhakte, ob die Produkte tatsächlich alle aus ökologischem Anbau stammten, dann legte der Gastronom Einkaufsrechnungen vor und lud die Zweifler ein, einen genauen Blick in die Küche zu werfen. "Uns geht es bis heute darum, Menschen etwas Gutes zu tun, nicht darum, so viel Geld zu verdienen wie möglich", sagt er.

Als der Laden endlich gut lief, eröffneten die Golestans 1992 als Ergänzung zum Restaurantbetrieb eine Stehpizzeria gleich nebenan. Auch hier: Vollkorn, Dinkel, alles bio, Tofu und Sojafleisch. Viele neue Freunde sind seitdem hinzugekommen. Und die allermeisten davon bezahlen auch. Einige entschieden sich wegen ihrer Erfahrung im Zodiac dazu, in ihrem Leben konsequent auf vegetarische Kost umzusteigen, sagt der Hausherr.

Die Kombination aus Restaurant und Pizza zum Mitnehmen entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer beliebten Anlaufstelle gerade auch für junge Leute. Vor knapp zwei Jahren schaffte es die Zodiac-Vollkornpizza in einer Umfrage der örtlichen Regionalzeitung WAZ unter 108 Pizzerien auf Platz drei. Fastfood goes öko. "Das Publikum hat sich extrem verjüngt in den vergangenen 30 Jahren. 70 Prozent unserer Kunden bezeichne ich als jung. Viele von ihnen sind nicht einmal 20 Jahre alt", sagt Golestan.

Dinkelpizzen sind kleiner, haben aber mehr Nährstoffe

Einer der größten Fans ist Philipp Buchholtz, ein Freund der Familie, der seit mehr als zehn Jahren in München lebt. Jahrelang importierte er leicht vorgebackene Pizzen aus Essen im Flugzeug nach Bayern und hortete sie in seiner Tiefkühltruhe. So konnte er stets den Heißhunger stillen, der ihn plagte. Was also lag näher, als gleich das gesamte Konzept nach München zu verlegen? Buchholtz selbst ist zwar kein Vegetarier. Aber der Betriebswirt erkannte das Potenzial des Produkts. "Diese Pizza ist kein Nischenprodukt, sondern für die breite Masse. Das ist gesundes Fastfood, das kein schlechtes Gewissen macht, wie es manchmal bei herkömmlicher Pizza der Fall ist", sagt Buchholtz, der im Hauptberuf eine internationalen Lifestyle-Basketballmarke leitet. Also machte er mit zwei Freunden Nägel mit Köpfen und eröffnete im Juni den ersten Ableger des Zodiacs in der Schulstraße in München-Neuhausen. Das Feedback war gut. Die Pizza kam gut an. Beschwerden gab es nur selten, wenn Kunden eine Pizza im Gullideckel-Format erwarteten wie beim Neapolitaner und dann feststellten, dass die Pizzen im Zodiac erkennbar kleiner im Durchmesser waren. "Wir haben dann über den Dialog mit den Gästen erklären können, dass Vollkorn- und Dinkelpizzen größeren Nährwert haben und mindestens genauso satt machen wie eine klassische Pizza beim Italiener", sagt Buchholtz. Mit zehn bis 20 Prozent Preisaufschlag für die Verwendung rein ökologischer Lebensmittel müssten die Kunden in der Branche jedoch rechnen.

Fast zwei Jahre lang ging alles gut, bis die Betreiber aus privaten Gründen das Projekt in München vorerst einstellten. Buchholtz ist aber sicher, dass vegane Biopizzen eine Zukunft haben in Deutschland. Und er schließt nicht aus, mit dem gleichen Konzept einen neuen Versuch zu starten. "Diese gesunden Pizzen sind ein absoluter Wachstumsmarkt und bedienen den Zeitgeist", sagt er.

Das kann Restaurantchef Golestan in Essen nur bestätigen. Das Zodiac geht bereits ins vierte Jahrzehnt seines Bestehens.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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