Betrugsverfahren gegen Abramowitsch:Dallas in London

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Öl, Dollar und Intrigen: Dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch droht in England eine neue Schadenersatzklage, weil er Bodenschätze ergaunert haben soll.

Andreas Oldag

Er gibt sich unnahbar und zuweilen sogar schüchtern. Wenn Roman Arkadjewitsch Abramowitsch seinem Londoner Fußballclub FC Chelsea einen Besuch abstattet, sitzt er meistens zurückgezogen auf einem der VIP-Plätze.

In einen juristischen Grabenkrieg verwickelt: Roman Abramowitsch (hier mit seiner Freundin Dascha Schukowa). (Foto: Foto: dpa)

Eine dunkle Sonnenbrille verbirgt seinen Blick. Abramowitsch, der Undurchsichtige. Abramowitsch, der Umstrittene. Abramowitsch, der 42-jährige russische Multimilliardär, für den es geschäftlich wie sportlich zurzeit schlecht läuft: Seine hochbezahlten Kicker verloren in der Champions League gegen AS Rom.

Die Kreditkrise hat den Unternehmer, dessen Vermögen laut Forbes-Liste 18 Milliarden Euro beträgt, einige Milliarden gekostet. Vor allem seine russischen Beteiligungen haben an der Moskauer Börse erheblich an Wert verloren.

Zudem ist Abramowitsch in einen juristischen Grabenkrieg verwickelt. Es geht um Öl, Dollar und Intrigen. Vieles erinnert an die legendäre Fernsehserie "Dallas" aus den achtziger Jahren, in der sich texanische Ölbarone austricksten. Orte der modernen Dallas-Inszenierung sind in diesem Fall aber London, Moskau und Sibirien.

Die Vorwürfe gegen Abramowitsch wiegen schwer: Er soll mit Hilfe seiner Londoner Investmentgesellschaft Millhouse Capital und unlauterer Methoden die Kontrolle über das westsibirische Ölfeld Priobskoye erlangt haben. 150.000 Barrel pro Tag kommen in der unwirtlichen Region aus der Tundra-Erde.

Nacht- und Nebelaktion

Abramowitschs Gegenspieler ist der britische Geschäftsmann Henry Cameron, der durch sein Unternehmen Sibir Energy sowie die russische Partnerfirma Yugraneft an Priobskoye beteiligt war.

Abramowitsch habe in einer Nacht- und Nebelaktion sämtliche Anteile des Ölfelds an sich gerissen, beklagte Cameron in britischen Medien. Es handele sich um einen "unverfrorenen Firmenraub". Abramowitsch streitet die Vorwürfe ab. Brisant ist, dass er inzwischen das Ölfeld und seine Ölfirma Sibneft an den russischen Staatsmonopolisten Gazprom weiterverkauft hat, angeblich für sieben Milliarden Euro.

Cameron will sich mit der kalten Enteignung nicht abfinden und brachte den Fall vor ein Londoner Gericht. Streitwert: 1,2 Milliarden Pfund. In erster Instanz gewann Abramowitsch. Richter Christopher Clarke vom Londoner High Court befand, dass britische Gerichte nicht zuständig seien.

Das war allerdings eher ein Eingeständnis der Machtlosigkeit. Der Beklagte nutzt sein Jet-Set-Leben, um ständig von einem Ort zum anderen zu wechseln. Obwohl Abramowitsch eine luxuriöse Londoner Stadtvilla sowie einen 424 Hektar großen Landsitz in Sussex besitzt, ist er nach den Recherchen Clarks im vergangenen Jahr nur 57 Tage in Großbritannien gewesen - zu wenig, um nach britischen Gesetzen als "Resident" zu gelten und damit unter britische Rechtsprechung zu fallen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, durch welchen Coup Abramowitsch ein Milliardenvermögen anhäufte.

Schon immer hat es der Milliardär verstanden, zwischen den Welten hin- und herzupendeln und dabei mit zweifelhaften Methoden sein Geld zu mehren. Wie kaum ein anderer verkörpert Abramowitsch den Traum vom sozialen Aufstieg in seinem Heimatland Russland.

Er wurde in Saratow an der Wolga geboren. Die Mutter starb nach einer illegalen Abtreibung, der Vater kam bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Der Junge schlug sich durch. Er wuchs bei seinem Onkel auf; als Student der Ingenieurwissenschaft gründete er die Firma Ujut (Gemütlichkeit), die Gummi-Enten und Fußbälle herstellte.

Dann stieg er mit 5000 Tonnen Heizöl als Startkapital ins Ölgeschäft ein. Ein Coup gelang ihm 1995 mit seinem damaligen Kumpel Boris Beresowski, als beide die Kontrollmehrheit am Ölkonzern Sibneft erwarben. Angeblich soll dabei Schmiergeld geflossen und Sibneft zum Schnäppchenpreis verscherbelt worden sein.

Nebenbei eine Superyacht

Später gab sich Abramowitsch staatstragender. 1999 wurde er Gouverneur der ostsibirischen Region Tschukotka. Als reicher Mäzen finanzierte er Schulen und Krankenhäuser für verarmte Rentierzüchter und Walrossjäger.

Er sicherte sich die Gunst des damaligen Präsidenten Wladimir Putin. Im vergangenen Jahr kaufte sich Abramowitsch dann bei Highland Gold Mining ein. Die auf der Kanalinsel Jersey ansässige Firma schürft in Russland. Zudem ist Abramowitsch beim russischen Stahl- und Rohstoffkonzern Evraz eingestiegen.

Nebenbei lässt er sich derzeit auf der deutschen Blohm+Voss-Werft die Superyacht Eclipse bauen, gut 150 Meter lang, für 250 Millionen Euro, mit teilweise gepanzerten Wänden und Fenstern.

Süffisant vermerkte die britische Boulevardzeitung Daily Mail, dass auf der Werft schon das deutsche Panzerschiff Bismarck vom Stapel gelaufen sei. Das wurde im Zweiten Weltkrieg von den Briten nach einer langen Jagd versenkt.

Abramowitsch-Widersacher Cameron will ebenso wenig aufgeben: Er entscheidet in diesen Tagen, ob er das Gerichtsurteil anfechten will, um doch noch Geld aus dem Ölgeschäft zu bekommen.

© SZ vom 12.11.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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