Betriebliche Krankenversicherung:Die Krankenversicherung von der Firma

Lesezeit: 2 min

Entspannungskurse gehören mitunter auch zu einem betrieblichen Gesundheitsmanagement dazu. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Viele Unternehmen nutzen Zusatzpolicen, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Aufgrund des Fachkräftemangels steigt die Nachfrage.

Von Ilse Schlingensiepen

Mittelständische Unternehmen müssen sich viel einfallen lassen, um sich auf dem umkämpften Markt für Fachkräfte als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Interessante Jobs allein reichen nicht, weiß Bernhard Wolf, als Vice President zuständig für Finanzen und Personal bei Thomas Magnete im rheinland-pfälzischen Herdorf. "Man muss den Arbeitnehmern Leistungen bieten, die über das hinaus gehen, was die meisten anderen haben", sagt er.

Thomas Magnete stellt elektromagnetische Antriebselemente vor allem für die Autoindustrie her. Das Unternehmen hat ein betriebliches Gesundheitsmanagement aufgebaut und 2015 eine betriebliche Krankenversicherung eingeführt.

Geschäftsleitung und Betriebsrat haben damals vereinbart, dass die Mitarbeiter als Teil einer Lohnerhöhung private Zusatzversicherungen erhalten. Sie haben Anspruch auf Extraleistungen bei Zahnersatz, Sehhilfen, alternativen Heilmethoden, der Vorsorge oder im Krankenhaus. Der Umfang der Pakete hängt von der Betriebszugehörigkeit ab. "Die betriebliche Krankenversicherung ist für die Mitarbeiter ein Aha-Erlebnis", sagt Wolf. Anders als bei der betrieblichen Altersversorgung sind die Leistungen sofort spürbar. "Bei Mitarbeiterbefragungen werden sie sehr gut bewertet."

Bei der betrieblichen Krankenversicherung schließen Arbeitgeber einen Gruppenvertrag mit einem privaten Krankenversicherer (PKV) ab. Entweder übernehmen die Chefs die Beiträge für die Policen oder die Mitarbeiter müssen selbst zahlen, erhalten aber bessere Preise und Bedingungen als bei individueller Absicherung. Der größte Vorteil ist, dass die Versicherer auf Gesundheitsprüfungen verzichten oder sie zumindest erleichtern. Davon profitieren Mitarbeiter mit Vorerkrankungen, die sonst keine bezahlbaren Angebote finden.

Nicht immer sind Betriebsräte begeistert, wenn die Policen als Gehaltsersatz eingeführt werden, sagt Rainer Ebenkamp, Leiter Vertriebsunterstützung beim Versicherer Gothaer. "Die Zustimmung ist meistens dann sehr groß, wenn es sich um eine zusätzliche Sozialleistung handelt."

Die Gothaer empfiehlt deshalb die arbeitgeberfinanzierte Krankenversicherung, bietet aber auch arbeitnehmerfinanzierte Varianten an. Die Firmen sehen in den Policen eine Möglichkeit, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden, erklärt Ebenkamp. "Natürlich ist die betriebliche Krankenversicherung kein Allheilmittel, aber sie ist ein Mosaikstein, um das Unternehmen attraktiver zu machen." Ein weiterer Vorteil: Wenn bei einem Mitarbeiter durch eine Vorsorgepolice eine Krankheit früh erkannt wird oder er über einen Stationärtarif schneller einen OP-Termin bekommt, kann das zu geringeren Fehlzeiten beitragen. Bei Arbeitgebern, die die Beiträge übernehmen, ist die stationäre Absicherung besonders gefragt. Bezahlen die Mitarbeiter selbst, dann sind Zahntarife am beliebtesten, berichtet Ebenkamp.

Nach Angaben von Uwe Jüttner, Spezialist für die betriebliche Krankenversicherung beim Großmakler Aon, wollen Unternehmen ihre Belegschaften auch gegen den Verdienstausfall bei langer Krankheit absichern. Sie kaufen Policen, die ein Krankentagegeld umfassen. "In diesem Fall dient die betriebliche Krankenversicherung der Existenzsicherung des Arbeitnehmers", erläutert Jüttner. Er hält die arbeitgeberfinanzierten Policen für besonders sinnvoll. Wenn die Unternehmen die zusätzlichen Kosten scheuen, könnten sie andere Sozialleistungen streichen, die kaum in Anspruch genommen werden oder nicht mehr zeitgemäß sind, empfiehlt Jüttner. Grundsätzlich steige die Nachfrage. "Gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben viel größeres Interesse als noch vor zwei, drei Jahren."

Die gut ein Dutzend Versicherer, die in der betrieblichen Krankenversicherung aktiv sind, warten gespannt auf die Begründung eines Urteils des Bundesfinanzhofes. Seit das Bundesfinanzministerium Ende 2013 die steuerliche Förderung gekippt hat, gelten die Beiträge als Barlohn, Steuern und Sozialabgaben werden fällig. Der Bundesfinanzhof hat sie jetzt als Sachlohn eingestuft, berichtet Jüttner. Bis 44 Euro monatlich wären sie dann abgabenfrei. Unklar ist noch, ob es eine Grundsatz- oder eine Einzelfallentscheidung ist. Die Branche hofft auf weiteren Schwung fürs Geschäft. Jüttner warnt davor, die betriebliche Krankenversicherung als Steuersparmodell zu sehen. "Es geht darum, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren."

Bei Thomas Magnete haben steuerliche Aspekte keine Rolle gespielt, betont Wolf. Er hat die Entscheidung für die betriebliche Krankenversicherung bislang nicht bereut. "Wir würden das auf jeden Fall wieder so machen."

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: