Bestechungsfälle:Gutes Klima für schmutzige Geschäfte

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Im Kampf gegen die Korruption ist Deutschland erstmals seit Jahren im internationalen Vergleich zurückgefallen.

Deutschland wurde von Hongkong überholt und belegt nun nur noch Platz 16 in einer weltweiten Liste von 158 Staaten, die die Organisation Transparency International (TI) in Berlin vorstellte. Angesichts der Häufung von Korruptionsfällen in der Wirtschaft fordert Transparency von den hiesigen Unternehmen, Schwachstellen gezielter aufzudecken. TI zufolge sind diese Affären ohnehin nur die Spitze des Eisbergs, denn nur fünf Prozent aller Fälle würden überhaupt publik.

Sieht Fortschritte: TI-Gründer Peter Eigen. (Foto: Foto: dpa)

Firmen korrupter als Ämter

Laut einer Übersicht des Bundeskriminalamts von 2003 wurden zuletzt 1100 Korruptionsverfahren in rund 7230 Fällen neu eröffnet. Davon entfielen 60 Prozent auf Firmen, in nur 16 Prozent waren öffentliche Amtsträger beteiligt. Besonders wenig korrupt sind laut dem internationalen Index mit 158 Staaten Island, Finnland und Neuseeland. Die Schlussplätze belegen Turkmenistan, Bangladesch und der Tschad.

VW-Affäre: "Wirklich skandalös"

Als "wirklich skandalös" bezeichnete der stellvertretende TI-Vorsitzende für Deutschland, Peter von Blomberg, die Affäre bei Volkswagen. Wenn sich der Verdacht bestätige, dass sich Betriebsräte unter Mitwisserschaft des Personalvorstands aus der Unternehmenskasse bedient hätten, habe das eine neue Qualität.

Im kommenden Jahr könnte Deutschland in dem internationalen Korruptionsindex mit 158 Staaten noch weiter abrutschen, denn die jüngsten Fälle um Volkswagen, DaimlerChrysler oder Infineon sind in der aktuellen Auflistung noch nicht eingerechnet. Deutschland liegt derzeit aber noch vor den USA und Frankreich, die in dem Ranking die Plätze 17 und 18 belegen.

Korruptionsregister gefordert

Transparency-Deutschland-Chef Hansjörg Elshorst appellierte an die Unternehmen, Bestechung und Vorteilsnahme entschiedener zu bekämpfen. Die neue Bundesregierung drängte er, das seit Jahren geforderte Korruptionsregister einzuführen. Mit dieser schwarzen Liste sollen alle Firmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, die sich korrupt verhalten haben.

TI-Gründer sieht postive Entwicklung

Der TI-Gründer und Vorstandsvorsitzende Peter Eigen hatte der Bundesrepublik kürzlich noch Fortschritte im Kampf gegen die Korruption bescheinigt: "Die Medien sind viel aufmerksamer, die Justiz ist aufmerksamer. Das, was früher als eine Art Gentleman-Vergehen angesehen wurde, das wird jetzt nicht mehr geduldet."

Schmiergelder waren absetzbar

Eigen erinnerte daran, dass deutsche Firmen bis vor sechs Jahren im Ausland gezahlte Bestechungsgelder als Betriebskosten steuerlich absetzen konnte - denn sie war nach deutschem Recht nicht verboten.

Die Gesetzesänderung im Mai 1999, mit der eine Konvention der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) umgesetzt wurde, bezeichnete er als einen Quantensprung. "Früher hätte kein Hahn danach gekräht, dass eine deutsche Firma im Ausland besticht. Meines Erachtens ist die Gesellschaft aufmerksamer geworden, und das halte ich für einen großen Vorteil für uns alle", so Eigen vor Veröffentlichung des diesjährigen Index.

Gesetzeslage noch zu lax?

Eigen kritisierte allerdings, dass das vom Bundestag verabschiedete Informationsfreiheitsgesetz zu viele Einschränkungen zu Gunsten der Industrie und zu Gunsten mancher Ministerien enthalte.

"Denn das Gesetz sehen wir als ganz großen Faktor im Kampf gegen die Korruption an. In den skandinavischen Ländern gibt es eine große Tradition der Informationsfreiheit, und die sind alle ganz oben in unserem Index. Deshalb haben wir erwartet, dass Deutschland da etwas mutiger sein würde", sagte Eigen.

Eigen, der Transparency 1993 gegründet hatte, wird bei der Jahresversammlung im November nicht wieder für das Vorsitzendenamt kandidieren. Der langjährige Weltbank-Manager ist mit seiner Tätigkeit rückblickend zufrieden: Die Arbeit von Transparency habe zu einem Einstellungswandel in Deutschland und anderen Ländern beigetragen, glaubt er: "Kein ernst zu nehmender Mensch verteidigt jetzt noch die Korruption."

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