Bespitzelungsvorwürfe:Lidl schmeißt Detektive raus

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Vorwürfe mit Folgen: Lidl hat die Zusammenarbeit mit mehreren Detekteien beendet. Mitarbeiter sollen künftig nicht mehr systematisch überwacht werden - bei Diebstählen wolle man gemeinsam Gegenmaßnahmen ergreifen.

Als Konsequenz aus den Bespitzelungsvorwürfen hat der Lebensmitteldiscounter Lidl die Zusammenarbeit mit Detekteien zur Überwachung von Beschäftigten mit sofortiger Wirkung beendet.

Mitarbeitermotivation der anderen Art: Bei Lidl wurden Mitarbeiter offenbar systematisch überwacht. (Foto: Foto: dpa)

Es würden keine Detektive mehr eingesetzt, sagte das Mitglied der Lidl-Geschäftsführung, Jürgen Kisseberth. Komme es künftig zu Diebstählen, werde gemeinsamen mit den Mitarbeiter über Gegenmaßnahmen entschieden.

"Es tut uns leid"

Kisseberth sagte, er sei bestürzt über die Berichte: "Es tut uns Leid. Wir können uns bei den betroffenen Mitarbeitern nur entschuldigen." Überwachungsmaßnahmen entsprächen nicht dem Stil des Unternehmens.

Das baden-württembergische Innenministerium hatte eine Überprüfung der Vorfälle bei dem Discounter angekündigt. Nach einem Bericht des Magazins Stern soll Lidl die Mitarbeiter in zahlreichen Filialen überwacht haben. Wie das Blatt am Mittwoch unter Berufung auf interne Protokolle des Unternehmens berichtete, soll die Firma Detektive eingesetzt haben, die Kameras installierten.

Eine Sprecherin des Stuttgarter Innenministeriums sagte: "Der Sachverhalt muss aufgeklärt werden." Achim Neumann von der Gewerkschaft Verdi erklärte dem Bericht zufolge, er sei zwar einiges gewohnt von Lidl, von solch einer systematischen Mitarbeiterüberwachung aber habe er noch nie gehört. "Diese Dimension ist mir völlig neu."

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, erklärte dem Magazin zufolge, dass das Protokollieren eines Toilettenbesuchs und ähnliches einen schweren Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz darstelle: "Ich gehe davon aus, dass, wenn solche Vorgänge bekanntwerden, die zuständige Datenschutzbehörde tätig wird und Ermittlungen einleitet."

"Nicht im Auftrag der Geschäftsleitung"

Der Lebensmitteldiscounter räumte ein, dass in einzelnen Filialen Mitarbeiter möglicherweise mit Überwachungskameras bespitzelt wurden. "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es dazu Aufträge gegeben hat", sagte Jürgen Kisseberth von der Lidl-Geschäftsführung am Mittwoch in Neckarsulm. "Das war aber nicht der Auftrag der Geschäftsleitung."

Kisseberth erklärte weiter: "Die im Stern skizzierten Vorwürfe und Feststellungen haben uns sehr betroffen gemacht." Insbesondere der damit vermittelte Eindruck, man würde die Mitarbeiter bespitzeln, "entspricht in gar keinem Fall unseren Führungsgrundsätzen und dem praktizierten fairen Umgang mit unseren Mitarbeitern".

Eigentlich sei es darum gegangen, vermehrt aufgetretene Diebstähle aufzuklären und dadurch Inventurverluste zu vermeiden. Der Einsatz von Kameras sei dabei branchenüblich. Im Jahr 2007 habe es in acht Prozent der deutschen Filialen aber besonders auffällige Inventurdifferenzen gegeben. Deshalb sei in diesen Filialen zusätzlich für einen begrenzten Zeitraum mit Detekteien zusammengearbeitet worden.

"Die Aufgabe der Detekteien war es, in den Filialen zusätzliche Erkenntnisse zur Aufklärung von Diebstählen zu gewinnen", erklärte Kisseberth. Die in diesem Zusammenhang über diesen Aufgabenbereich hinaus festgehaltenen weiteren Informationen seien zu keiner Zeit in irgendeiner Weise weiterverwertet worden. Bereits vor längerem sei die Zusammenarbeit mit einer Detektei aufgekündigt worden, die über Tätowierungen einer Mitarbeiterin berichtet hatte.

Die Hinweise und Beobachtungen, die vom Stern veröffentlicht wurden, entsprechen laut Lidl weder im Umgangston noch im Stil dem Verständnis des Unternehmens von einem fairen Umgang mit den Mitarbeitern. Deshalb habe Lidl die Zusammenarbeit mit einem der betroffenen Dienstleister schon vor längerer Zeit beendet. Zukünftig sollten sichtbar angebrachte Kamerasysteme eingesetzt werden.

"Introvertiert und naiv"

Dem Stern liegen dem Bericht zufolge mehrere hundert Seiten interner Lidl-Protokolle vor, in denen jeweils mit Tag und Uhrzeit notiert ist, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat, wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt". Die meisten dieser Einsatzberichte stammten aus Lidl-Filialen in Niedersachsen, dazu kämen einzelne Abhörberichte aus Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein, hieß es.

Die Überwachung funktionierte dem Bericht zufolge immer nach dem gleichen Muster: Montagmorgen installierten laut Stern von Lidl beauftragte Detektive in der jeweiligen Filiale meist zwischen fünf und zehn Miniaturkameras. Dem Filialleiter sei erzählt worden, es gehe darum, Ladendiebe aufzuspüren. Tatsächlich hätten die Detektive aber auch ihre genauen Beobachtungen der Lidl-Mitarbeiter notiert.

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