Bernotat bei Anne Will:Talkshow-Queen unter Strom

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Das Tribunal war bereitet: Bei Anne Will sollte Eon-Chef Bernotat erklären, wie der Stromkonzern Kasse macht. Daraus wurde nichts - aber es war ganz lustig.

Ansgar Siemens

Als Wulf Bernotat vor wenigen Wochen via Bild posaunte, Strom in Deutschland sei viel zu billig, ging ein Aufschrei durch die Republik. Was dieser Herr, Chef des größten heimischen Versorgers Eon, sich einbilde. Eine Frechheit.

Journalistisches Gegenstück zu Sabine Christiansen? Anne Will ließ ihrem Gast Wulf Bernotat so einiges durchgehen. (Foto: Foto: dpa)

Die Gazetten streckten den Stoff über mehrere Tage, Bild-Leser empörten sich bitterlich - und Bernotat ruderte schlussendlich halbherzig zurück. In einem offenen Brief nuschelte er eine Art "Sorry".

Dass Bernotat die Legende vom billigen Strom nicht einfach so dahergesagt hatte, zeigte sich in der vergangenen Woche. Nonchalant gab Eon bekannt, zum Jahresbeginn 2008 müsse man die Preise für Strom und Gas leider anheben, um bis zu zehn Prozent.

Schön krawallig

Aufreger plus Buhmann - die perfekte Mischung für eine Talkshow, dachten sich wohl die Macher der ARD-Polit-Runde "Anne Will". "Preise unter Strom" hieß das Motto am Sonntagabend, "Wie Energiekonzerne Kasse machen". Schön krawallig.

Vier gegen einen, registrierte der geneigte Verbraucher auf dem heimischen Sofa vergnügt, Herr Bernotat sah sich einem Ensemble von Gegnern gegenüber: Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn, deren Forderung "Enteignet Eon" Will in der Vorstellungsrunde zitierte. Daneben Claudia Kemfert, dauerpräsente Energie-Professorin aus Berlin, Ursula Sladek, die im Schwarzwald Ökostrom verkauft und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU).

Um es vorwegzunehmen: Der Versuch, Herrn Bernotat zu entlarven, schlug gründlich fehl. Nach einer Viertelstunde Talk appellierte Moderatorin Will fast schon flehentlich: "Wir wissen immer noch nicht, ob der Preisanstieg gerechtfertigt ist."

Bernotat, blass, monotoner Singsang in der Stimme, verwies darauf, es gebe einen Markt für Strom, ablesbar an der Leipziger Strombörse. Dort seien die Preise gestiegen, Eon orientiere sich daran. Punkt.

Kluge Talkshow-Strategie: Klappe halten

Seine Gegenüber sprachen davon, dass Eon viel billiger produzieren könne, sie sprachen von Verschmutzungsrechten, von Abschreibungen, die dem Konzern zupasskämen. Für den Laien eine ziemlich schwere Kost.

Bernotat agierte klug: Er schwieg weitgehend.

Als die Rede auf das Monopol kam, das vier Energiekonzerne in Deutschland bei Produktion und Netz de facto besitzen, wich Bernotat aus: Es gebe fast 900 Anbieter für den Endkunden, also den Verbraucher.

Anne Will ließ das durchgehen. Warum Eon die Preise jetzt stark anziehen muss - es blieb im Dunkeln.

Langsam wurde es peinlich für die Moderatorin, angetreten als journalistisches Gegenstück zur stets Mitleid heischenden Sabine Christiansen. Ob Herr Bernotat mit seinen drei Konkurrenten RWE, Vattenfall und EnBW telefonisch die Strompreise abspreche, wollte Will wissen.

Na klar: Der Chef des - nach Börsenwert - größten deutschen Konzerns setzt sich am Sonntag ins Fernsehen und gibt verbotene Preisabsprachen zu.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum der Talk am Schluss kabarettistische Züge annahm.

Ebensogut könnte man wahrscheinlich Helmut Kohl fragen, wer denn die anonymen Spender waren, von denen er damals Geld angenommen hat. Seit Jahren weigert sich Kohl mit Hinweis auf sein Ehrenwort.

Agierte klug - und schwieg: Eon-Chef Wulf Bernotat (Foto: Foto: dpa)

Bernotat winkte schnell ab: Telefonische Preisabsprachen? Natürlich nicht.

Das Ganze verlagerte sich zum Schluss der Sendung in die kabarettistische Ecke, was nicht nur an der Kleiderwahl von Bärbel Höhn - quietschrotes Sacko, blaue Bluse - lag und den Unterhaltungswert deutlich steigerte.

Es trat auf: Sebastian Schuster, ein Diplom-Ingenieur, der seinen Strom ausschließlich selbst erzeugt, mit Solarzellen. Nein, die Preiserhöhungen der Konzerne interessierten ihn kaum, da mache ihn nichts wütend, sagte Schuster.

Keine Preisabsprachen, Ehrenwort

Auch die explodierenden Spritpreise juckten ihn nicht - er benutze nur sein Fahrrad. Anne Will konnte sich ein offenes Lachen nicht verkneifen und selbst im Gesicht des staubtrockenen Eon-Chefs zeichnete sich eine Art Grinsen ab.

Als Will noch fragte, auf was ihre Gäste verzichten würden, um Strom zu sparen, nannte Bärbel Höhn ihr Auto. Minister Glos sah gar kein Potential: Er komme nur nachts in seine Berliner Wohnung, da benötige er ohnehin nur das elektrische Licht.

Bernotat fabulierte von irgendeiner Wärme-Pumpe, die er kürzlich für viel Geld in sein neues Haus gebaut habe. Keine Antwort auf die Frage. Egal. Für Bernotat war der Abend längst gelaufen - und zwar verdammt gut.

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