Bellakvarter:"Eine familiäre Gemeinschaft"

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Um die Messe in Kopenhagen entsteht ein neues Viertel mit Wohnungen, Cafés, Parks und öffentlichen Plätzen. Das Unternehmen Northmodern will hier Shows veranstalten, die für alle offen sind.

Interview von Katharina Wetzel

Die Modemesse CIFF (Copenhagen International Fashion Fair) ist die größte Veranstaltung des Unternehmens Northmodern. Doch CIFF soll nicht nur eine Messe sein, zu der sich die Branche zweimal im Jahr im Bella Center in Kopenhagen trifft. Künftig wird die Messe noch viel mehr Kontakte ermöglichen, sagt Geschäftsführer Kristian Andersen. Dafür hat Andersen einige Ideen. Auch wie er die Bewohner in dem neuen Stadtteil Bellakvarter erreichen kann. Das "schöne Viertel" entsteht bis 2024 auf 265 000 Quadratmetern um das Messezentrum herum.

SZ: Was ist die Idee von Bellakvarter ?

Kristian Andersen: Vor drei Jahren haben sich die Eigentümer unserer Messe (Solstra Capital Partners) für dieses Bauprojekt entschieden, das 2400 Haushalte und bis zu 6000 neue Arbeitsplätze schaffen soll. Seit letztem Jahr überlegen wir nun, wie wir die Stadt mit Kultur- und Sportaktivitäten interessanter gestalten können. Wir haben uns gefragt: Wohin geht die Kunst-, Mode- und Sportindustrie? Ist es denn genug, nur eine Messe zu sein?

Und was machen Sie seither anders?

Wir begannen mit den Firmen intensiver zu arbeiten, nicht nur zweimal im Jahr, sondern mit permanenten Installationen. Die Firmen können diese multifunktional nutzen und für die Menschen in der Stadt wird das Viertel so ein interessanterer Ort.

Sie sind in engem Austausch mit den Architekten . Was steht als nächstes an?

Im Moment entsteht gerade ein Logistikcenter. Auf dem Dach und um das Gebäude herum schaffen wir eine Kunst- und Sportanlage mit Basketballfeld und einem Open-Air-Theater, sodass die Bewohner einen tollen Platz haben, wir aber auch die Flächen für unsere Sport-, Mode-, und Kunst-Shows nutzen können.

Auf dem Dach mit Basketballfeld soll dann die Messe CIFF Sporting eröffnet werden, die von 2021 an ihre Modemessen und die Code Art Fair ergänzen wird.

Ja, das ist unser erstes Projekt, ich bin sehr glücklich darüber, dass wir dann auch die Möglichkeit haben, länger andauernde oder permanente Installationen zu schaffen, die sowohl für die Einkäufer relevant sind, als auch für Leute, die sich für Kunst, Mode oder Sport interessieren. Die Messebranche muss eine Plattform sein, um die Bevölkerung mit den Firmen besser zu verbinden, nicht nur mit den Einkäufern.

Aber Ihre Messen sind nur für das Fachpublikum offen, oder?

Das gilt für den Modebereich, aber wir wollen die Veranstaltungen teils auch für die Öffentlichkeit öffnen. Die Stadt ist die Gelegenheit dafür. Das ist sehr ungewöhnlich für eine Messe ...

Bis zu 7000 Menschen sollen in dem Viertel leben ...

... im Moment diskutieren wir ein Wohnprogramm. Vielleicht werden wir ein paar Wohnungen für CIFF reservieren und junge Talente für ein Jahr dort einquartieren, damit sie ihre Firma entwickeln können.

Wie hoch sind die Baukosten ?

Mehr als eine Milliarde Euro.

Glauben Sie, dass das neue Viertel auch die Messegeschäfte beleben wird?

Was gerade in der Modeindustrie passiert, ist sehr interessant, aber auch etwas beängstigend. Alles geht online, viele kleine Geschäfte in Europa existieren nicht mehr. Ich glaube an die Technologie, aber es gibt auch ein Bedürfnis, sich in einem physischen Raum zu treffen. Kunst muss man erleben, Sport muss man ausüben. Ja, die gesamte Branche ist herausgefordert, aber wir müssen dem mit Ideen begegnen, einer neuen Art der Zusammenarbeit. Mit der Stadtentwicklung definieren wir das Messegeschäft neu.

Was empfehlen Sie denn Ausstellern, die auf Modemessen auf immer weniger Einkäufer treffen?

Statt nur eine Fläche für die Messe zu mieten, könnten sie auch ein Projekt machen, das ein paar Tage für Einkäufer und dann für die Öffentlichkeit geöffnet ist, um mehr Aufmerksamkeit für die Marke zu schaffen.

Sie mischen verschiedene Branchen wie Mode, Sport und Kunst und arbeiten auch gern mit Künstlern zusammen.

Als Veranstalter von solchen Events sind wir mit diesem Mix im Moment allein, aber das spiegelt wider, was gerade in der Industrie los ist. Jeder ist vernetzt.

Ist das alles, was die junge Generation sucht?

Bei unseren Diskussionsrunden zu Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit kann eine Firma nichts direkt verkaufen. Doch die jungen Leute im Publikum wollen sich nicht in einer Firma engagieren, wenn diese keine Story zu erzählen hat. Sie wollen etwas kaufen, zu dem sie eine Beziehung haben. Ich sehe unsere Aussteller nicht als Kunden, die kommen und eine Standfläche mieten. Unsere Hauptaufgabe ist es, für Action und Erlebnisse zu sorgen. Sie können Messen mit Department Stores vergleichen. Man hat dort alles, aber die Leute interessieren sich nicht mehr dafür.

Was empfehlen Sie?

Für die Aussteller ist es nicht so wichtig, einen beeindruckenden Stand zu haben. Ich würde eher empfehlen, in einen kleineren Auftritt zu investieren und dafür noch andere Projekte zu machen. Wenn sie ihr Produkt in Aktion zeigen, können sie mehr Leute erreichen.

Und was tun Sie als Veranstalter?

In Paris hatten wir eine Kollaboration mit dem "LVMH Preis", mit dem der Konzern junge Talente fördert. Das gab allen unseren jungen Labels einen besseren Einblick.

Die erste Ausgabe von CIFF Paris fand im Juni während der Männermodewoche statt. Sind Sie zufrieden?

Das Einzige, worüber wir nicht so glücklich waren, ist, dass es 38 Grad hatte. Wir sind jede Saison mit kleineren Projekten in Paris vertreten, aber das war das erste Mal mit solch einer Show. Wir sind keine Messe und kein Showroom. Wir sind mehr eine Plattform, um Netzwerke zu schaffen, wie etwa mit LVMH, wir hatten 65 Firmen, zwei mit einer eigenen Show. Die Einkäufer sahen auch interessante Kollaborationen, Installationen und Diskussionsforen. Wir sind mit dem Ergebnis von CIFF Paris zufrieden. Und wir werden es im Januar wieder tun.

Bellakvarter: Eine Simulation der Architekten COBE, Vilhelm Lauritzen und Tetris A/S. Auch zwei Kitas sind vorgesehen. (Foto: Vilhelm Lauritzen Arkitekter A/S)

Warum in Paris und nicht in Berlin?

Ich liebe Berlin, aber unser Konzept ist sehr international und Paris ist bei Weitem der international stärkste Platz. Paris wird das auch immer sein. Vielleicht kommen einige andere Städte dazu, wenn wir in Paris mehr etabliert sind.

An welche Orte denken Sie?

Ich hoffe, dass wir bis in einem Jahr einen Ableger in LA etablieren können. Das ist die interessanteste und kreativste Stadt in den USA. Dort sitzen viele Firmen. Und dann sollten wir noch in Asien präsent sein.

Sie zeigten auch Damenkollektionen während der Männermodewoche.

Es wird mehr und mehr unisex. Die vier Modewochen in Paris sind einfach zu viel. Es ist Zeit, davon etwas loszukommen. Es gibt zudem genug in der Pre-Kollektion. Wir fokussieren uns auf Januar und Juni.

Geht von den Männer-Schauen eine große Anziehung aus?

Natürlich schlägt nichts die Haute Couture, aber die Männermodewoche hat eine enorme Spannung. Die wichtigsten Einkäufer und Redakteure sind da. Das gibt der ganzen Energie und Dynamik einen Kick.

Profitiert auch die CIFF in Kopenhagen von ihrem Pariser Pendant?

Mit Paris können wir auch mehr Besucher und Firmen für Kopenhagen gewinnen. Nichts schlägt ein persönliches Gespräch. Ich reise 120 bis 130 Tage im Jahr und verbringe Hunderte Stunden damit, um unsere Firmen zu besuchen, um zu verstehen, wo sie stehen, wo sie hinwollen und was ihre Wünsche sind. Wir sind Partner und zum Teil auch Freunde. Wir sehen unsere Firmen nicht nur bei der Show, wir versuchen zum Beispiel auch zu kommen, wenn sie ein Event in ihrem Shop haben. Es ist eine familiäre Gemeinschaft.

Sie waren auch einmal Manager eines Dreisternerestaurants in Dänemark. Hilft Ihnen diese Erfahrung auch im Messegeschäft?

Oh Gott, das ist schon lange her. Das war eine sehr gute Erfahrung. Wenn Sie mit Ihrem Freund in ein Restaurant gehen und es ein Problem gibt, müssen Sie es sofort klären, nicht erst später. Und man lernt auch, Menschen und ihre Erwartungen besser zu verstehen. Man kann zu all den tollen Restaurants gehen und kehrt dann doch immer wieder zu einigen Plätzen zurück. Das Essen muss gut sein, aber man geht dort auch hin, weil man die Leute mag und die Atmosphäre. Für mich geht es in dem Geschäft mehr um die Menschen als um Messen.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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