Bei uns in Zürich:Hoch springen, tief fallen

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Remo Stoffel steht in der Schweiz für den Aufstieg eines Jungen aus Vals zum reichen Mann. Nun geht es mal wieder um Steuerbetrug, nur diesmal trifft es ihn noch schmerzlicher.

Von Charlotte Theile

Es gibt in der Schweiz nicht viele Namen, die zuverlässig Klicks versprechen. Einer davon lautet Remo Stoffel, und Sie fragen sich vermutlich, wie man zu einem so guten Namen kommt. Aber Sie müssen nur in Vals, einem abgelegenen Dorf in Graubünden geboren werden. Stoffels Vater arbeitete in der Mineralwasserfabrik, seine Mutter im Dorfladen. Remo Stoffel aber wollte mehr, viel mehr. Schon als junger Mann verkaufte er in den Büros seiner Chefs Honig aus Vals, bald darauf stieg er ins Immobiliengeschäft ein und verdiente Millionen. Schon bald ermittelten die Steuerbehörden - und Remo Stoffel, der den Konkurs der Swissair für geschickte Aufkäufe genutzt hatte, galt vielen als jemand, der seine Geschäfte am liebsten in Grauzonen abwickelt. Ein Emporkömmling, der sich wenig um das Gemeinwohl schert. Auch die freundlichen Schlagzeilen gehen ungefähr so: "Hotel-Investor Stoffel erklärt, wie reich er ist." Eine der weniger freundlichen Schlagzeilen war am Donnerstagmorgen in den Zeitungen zu lesen: "Steueramt zeigt Remo Stoffel an." Steuerbetrug, das alte Thema. Für Stoffel ist es diesmal noch unangenehmer als früher. Denn, wie gesagt: Stoffel hat Großes vor. In seinem Heimatort Vals will der Immobilienkaufmann den höchsten Wolkenkratzer Europas errichten, ein Hotel aus Glas, in dem die Übernachtung mehr kostet als die meisten Menschen im Monat verdienen. Das Projekt ging im Frühjahr 2015 um die Welt: Eine 380 Meter hohe gläserne Nadel, die in einem abgelegenen Tal den Bergen Konkurrenz macht. Entworfen von Thom Mayne, einem der bekanntesten Architekten der Welt.

Seither allerdings ist nicht viel passiert. Es würden immer noch Gutachten erstellt, heißt es aus Vals. Auch eine Abstimmung der Bevölkerung steht noch aus. Stoffel bietet eine riskante Wette an. Statt weiterhin auf den schwächelnden Breiten-Tourismus zu hoffen, sollen die Valser alles auf eine Karte setzen: Luxus. Dabei geht es für Stoffel um alles: Glauben die Valser an seine Vision? Trauen sie ihm zu, dass er das 400-Millionen-Euro-Projekt "im Kreuz hat", wie es immer heißt? Wird er sein Dorf mit dem gläsernen Supertower weltberühmt machen? Oder wird Vals am Schluss mit einer 200 Meter hohen gläsernen Ruine dastehen? Die neusten Steuer-Ermittlungen lösen bei den Schweizern vor allem Spott aus. "Wer hoch springt, fliegt tief..." schreibt einer. Jetzt sind erst einmal die Behörden am Zug.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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