Bei uns in Tokio:Katz-onomics funktioniert

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In Japan gaukelt die Wortschöpfung "Abenomics" vor, der Premier könne die Wirtschaft fördern. Dabei wird klar: Wenn in Japan etwas funktioniert, dann die "Katz-onomics". Die Tiere nämlich verkaufen sich prächtig.

Von Christoph Neidhart 

Wirtschaftspolitik ist auch Psychologie, und deren wohl wichtigstes Instrument ist die Sprache. Oft in Form einer Beschwörung. "Abenomics" war in Japan nie mehr als ein Bündel von drei etablierten Wirtschaftsmaßnahmen: Strukturreformen, Konjunkturpakete und eine lockere Geldpolitik. Der Neologismus "Abenomics" gaukelte den Märkten vor, Premier Shinzo Abe habe neue Tricks aus seinem Hut gezogen. Japans Notenbank finanzierte das Staatsdefizit seit 15 Jahren mit der Geldpresse, doch seit dem Start von Abenomics nennt sie dies QQE, "qualitative and quantitative easing". Als ob die Defizit-Finanzierung etwas Neues sei. Wenn Käufer und Investoren glauben, alles würde besser, so die Überlegung, dann kaufen und investieren sie mehr. Damit würde die Wirtschaft tatsächlich wachsen. Angetrieben vom Zauberspruch "Abenomics", wäre Abes Programm somit ein ökonomisches Perpetuum mobile. Nur funktioniert es nicht.

Wirtschaftspolitik mit Zauberformeln ist keine Erfindung Japans, Ronald Reagan versuchte es mit "Reagonomics". Bill Clinton wollte die Folgen von Reagans Politik korrigieren, das wird zuweilen "Clintonomics" genannt. Aber kaum jemand setzt so sehr auf die Kraft der Beschwörung wie Abe. Als er die Frauen für den Arbeitsmarkt mobilisieren wollte, blies er das zu "Womenomics" auf. Als werde er die Gesellschaft umkrempeln. Dabei denkt er nicht an gleiche Rechte und Löhne für die Frauen.

Ironisch postulierte die japanische Zeitschrift Spa! jüngst ihre eigene -nomics: "Nekonomics"; "neko" ist das japanische Wort für Katze. Nekonomics ist freilich kein weiterer Versuch, Wirschaftswachstum herbeizureden, sondern eher eine Diagnose von Katzenjammer. In Japan leben schon länger mehr Hunde und Katzen als Kinder. Statt Kinder zu haben, sind viele Japaner auf den Hund gekommen. Sie führen ihren Vierbeiner sogar im Kinderwagen aus. Indes wechseln, so Spa!, inzwisschen mehr und mehr Leute vom Hund auf die Katze. Das Blatt erklärt dies damit, dass sie günstiger seien. Hunden werden gekauft, Katzen erhält man im Katzenheim. Und der Aufwand an Zeit und Geld für Hunde sei größer. Andererseits trügen Katzen heutzutage mehr zum Wirtschaftswachstum bei als Hunde. Die Buchläden verkaufen dreimal mehr Katzen- als Hundebücher, vor zehn Jahren war das umgekehrt. Und es gibt immer mehr sogenannte Neko-Cafés; Lokale, die den Gästen nicht nur Getränke servieren, sondern auch Streichelkatzen. Nekonomics funktioniert.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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