Bei uns in Shanghai:Quereinstieg mit Hindernissen

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Chinas Internetbanken sind angetreten, um staatlichen Geldhäusern Dampf zu machen. Aber es klappt nicht.

Von Marcel Grzanna

Chinas Internetbanken sind angetreten, um den staatlichen Geldhäusern Dampf zu machen. Sie sollen Wettbewerb schaffen, um die Manager der traditionellen Kreditinstitute aus ihrer Lethargie zu reißen. Die chinesische Vetternwirtschaft zwischen Staatsunternehmen und großen Banken hat zwar viele Jahrzehnte satte Profite abgeworfen. Aber effizient war das Gebaren nicht. Die Strukturen sind so verkrustet, dass private Unternehmen kaum an Kredite kommen. Risiko-Management besteht in den Führungsetagen der Staatsbanken vornehmlich daraus, sich auf Finanzspritzen der Zentralregierung zu verlassen.

Schluss damit, fordert Premierminister Li Keqiang, der das System liberalisieren will. Internetbanken seien dafür da, "die Reformen voranzutreiben", sagte er Anfang des Jahres, als die neu lizenzierte WeBank aus dem Hause des IT-Konzerns Tencent in seiner Gegenwart ihren allerersten Kredit über 35 000 Yuan, umgerechnet etwa 4900 Euro, einem Lastwagenfahrer gewährte.

Zehn Monate später gibt es noch immer viele Unsicherheiten, wie die Zukunft der Internetanbieter aussieht. WeBank oder auch MyBank, die von der Alibaba-Tochter Ant Financial Services betrieben wird, stehen auch mehr als ein Jahr nach ihrer Lizenzierung vor regulatorischen Hindernissen, deren Überwindung nicht absehbar ist.

Größtes praktisches Problem ist die Eröffnung eines Kontos bei den Internetanbietern. Die Kontrollbehörde verlangt ein persönliches Erscheinen des Kunden bei einer Bank, um seine Identität einwandfrei feststellen zu können. WeBank und MyBank aber existieren nur in der digitalen Welt. Es gibt keinen Schalter, an dem Institut und Kunde aufeinandertreffen. Auch deswegen können die Quereinsteiger gute Konditionen bieten. Sie haben weniger Kosten. Doch das nützt ihnen nichts, wenn sie keine Kunden zur Kontoeröffnung bewegen können. Die Zentralbank bekräftigte zuletzt im August ihre Haltung, dass sie aus Sicherheitsgründen an der Praxis nichts ändern wolle.

Die IT-Firmen arbeiten an Technologien, die eine wasserdichte Ferndiagnose der Identität eines Kunden garantiert und die Zentralbank vielleicht umstimmen könnte. Bis dahin bleibt WeBank und Co. nichts anderes übrig, als bei den traditionellen Geldhäusern Klinken zu putzen, um Teile der eigenen Dienstleistungen über deren Konten feilzubieten. Das gelingt bisher aber nicht. Die Staatsbanken verweigern die Zusammenarbeit. Sie schieben Sicherheitsbedenken vor und technische Gründe. Aber es gilt als offenes Geheimnis, dass sie einfach keine Lust haben, den Konkurrenten bei deren Markteinstieg unter die Arme zu greifen. Die Bereitschaft zur Liberalisierung hält sich bei den Platzhirschen deutlich in Grenzen.

Bei WeBank ist deshalb der Chef schon nach zehn Monaten frustriert zurückgetreten. Er stammte aus dem traditionellen Bankgeschäft und musste jetzt feststellen, dass man als privates Unternehmen in China ständig gegen Mauern rennt, wenn staatliche Gegenspieler eigene Interessen vertreten. Aus dem Unternehmen Tencent aber ist zu hören, dass man auf einen langen Marsch vorbereitet sei. Die kommenden drei Jahre rechnet man vorsichtshalber mal mit Verlusten.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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