Bei uns in Shanghai:An die Kette

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In China können Vermittler unreguliert Privatkredite an kleine Unternehmen geben. Viele Anbieter sind nicht seriös, Tausende Anleger verloren ihr Geld. Den Staat hat das lange nicht interessiert - bis jetzt.

Von Marcel Grzanna

Chinas Bankenaufsicht CBRC ist eine viel beschäftigte Behörde. Kein Wunder. Ein Finanzmarkt, der in wenigen Jahrzehnten förmlich aus dem Nichts entwickelt wurde, benötigt Gesetzgebung an allen Ecken und Enden. Jüngstes Beispiel ist das Peer-to-Peer-Geschäft im Internet, kurz auch P2P genannt, also die Vermittlung von Privatkrediten an kleine Unternehmen oder Haushalte. Mehr als zehn Jahre dauerte es, bis die chinesischen Gesetzgeber aktiv wurden. Von Mitte 2016 an wird nun der Sektor staatlich reguliert.

Höchste Zeit, sagen Analysten. Wie viele Anbieter es gibt, weiß niemand so genau. Schätzungen belaufen sich auf etwa 2600. Neue Anbieter stoßen schnell auf den Markt, während andere auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Klar ist immerhin: Viele Anbieter sind nicht seriös. Die Aussicht auf schnelles Geld ruft in China unzählige Trittbrettfahrer auf den Plan, die ihr Geschäftsmodell allenfalls kurzfristig ausrichten und dabei die Risiken vor allem auf die Kunden abwälzen. Es kann alles gut, das Geld aber auch verloren gehen. Etwa 1000 Firmen verschwanden von heute auf morgen von der Bildfläche, nachdem sie Kredite im Wert von mehr als insgesamt einer Billion Euro vermittelt hatten. Betroffen sind etwa 100 000 Anleger, die ihr Geld gar nicht oder nur zum Teil zurück bekamen. Die Investoren wurden entweder nicht ausreichend vor dem Risiko ihrer Anlage gewarnt oder wurden Opfer krimineller Machenschaften.

Das Problem wächst mit dem Volumen des P2P-Geschäfts. Schon für 2013 sollten gesetzliche Vorschriften kommen. Doch nichts geschah. Finanzmarktexperten vermuten, dass der Staat das Risiko in Kauf nahm. Denn für viele kleine und mittelständische Firmen liefert das P2P-Geschäft Zugang zu dringend nötigem Kapital, das ihnen die staatlichen Banken verweigern - zu gering ist für sie der Profit, zu groß das Risiko. Der Staat wiederum wusste, wie wichtig private Unternehmen für die Konjunktur des Landes sind und wie wichtig ihre Finanzierung aus dem grauen Kanal.

Doch nun ist also Schluss: Das Risiko ist für die Anleger so groß worden, dass die CBRC handeln musste. Vorgesehen sind strengere Auflagen für die Absicherung von Krediten. Auch die Streuung zahlreicher Einzelkredite durch viele Investoren an einen einzigen Kreditnehmer soll ein Ende haben. Es kommt vor, dass Vermittler Kredite ohne Kenntnis der Geldgeber an einen Schuldner leiteten, weil der bei der Bank den nötigen Großkredit nicht genehmigt bekam.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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