Bei uns in Rom:Unter Löwen

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Das Kolosseum bekommt einen dritten Eingang - im Unterbau, nicht wie bisher auf den Rängen. Besucher können so künftig nachempfinden, wie sich Löwen und Gladiatoren fühlten, wenn sie die Kampfarena betraten.

Von Ulrike Sauer

Gladiatoren des dritten Jahrtausends, hereinspaziert! Am diesem Freitag macht in Rom das dritte Eingangstor des Kolosseums auf. Die Eröffnung soll den Besuch der antiken Kampfarena zum ergreifenden Erlebnis machen. Durch den Bogen der Porta Libitinaria, noch wenige Schritte, und schon steht man mitten im Oval, dem Schauplatz antiken Blutrauschs. Hier soll Touristen einer globalisierten Welt ein unvergessliches Schaudern ergreifen. Durch den neuen Zugang zieht man in die Arena als Gladiator ein.

Die abgehetzten Kreuzfahrer, die im Hafen von Civitavecchia an Land gehen und zur Eil-Visite nach Rom kommen, dürfen so gleich hinter die Kulissen blicken. Statt in die Wandelgänge des Publikums gelangen sie nun in den ehemaligen Unterbau des Kolosseums, den Schauplatz der Gewaltorgien mit Requisitenlager, Verliesen und Käfigen. Der Fahrstuhl, mit dem die Römer die Raubtiere und Gladiatoren in die Arena hoben, wurde rekonstruiert.

Die Öffnung des Südtors ist die erste Stufe eines Plans zur Aufwertung des Kolosseums. Parallel dazu schreitet die Restaurierung des Amphitheaters voran, für die ein italienischer Luxusschuhhersteller 25 Millionen Euro spendierte. Staat und Unternehmer treibt der Wunsch an, die vernachlässigten Kulturschätze als Motor der Wirtschaft einzusetzen.

Was aber ist ein Kolosseum wert? 91 Milliarden Euro schätzte eine italienische Handelskammer. Das klingt nach viel, ist aber nur ein Fünftel des Eiffelturms. Ungeheuerlich, meckerten die Italiener. Ein Gewirr aus Alteisen an der Seine übertrifft ein 2000 Jahre altes Bauwerk am Tiber, einem geschichtsmächtigen Ort von einzigartiger Faszination? Man fühlte sich mal wieder diskriminiert.

Für Attilio Celant, Professor für Tourismusökonomie in Rom, sind die 91 Milliarden Euro sogar zu hoch gegriffen. "Der Makel der italienischen Kulturgüter ist, dass sie wenig Ertrag abwerfen", sagt er. Der Verkauf der Eintrittskarten für das Kolosseum bringt jährlich 72 Millionen Euro ein. Rechne man damit, dass die Arena ein Prozent ihres Werts erwirtschafte, müsste sie 7,2 Milliarden Euro kosten. Schlage man den Markenwert obendrauf, käme man auf 40 Milliarden Euro, schätzt Celant. Dass der Eiffelturm mit 434 Milliarden Euro das Zehnfache wert sein soll, erklären Fachleute damit, dass in Frankreich alles funktioniere. Zudem sei er das einzige wahre Markenzeichen von Paris. In Rom drängen sich auf wenigen Metern die Kaiserforen, die Caracalla-Thermen und Michelangelos Kapitol. So drückt das Überangebot den Preis.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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