Bei uns in Rom:Reisen bildet

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Wenn Italiens Regierungschef Matteo Renzi das Weite sucht, springen auch für seine Landsleute aufschlussreiche Erkenntnisse heraus.

Von Ulrike Sauer

Wenn Matteo Renzi das Weite sucht, springen auch für seine Landsleute aufschlussreiche Erkenntnisse heraus. Diese Woche tingelte er zwischen einem historischen Parlamentsvotum in Rom, seit zwei Jahren Schauplatz seiner reformerischen Mühsal, und einer Iran-Visite durch Norditalien. Erster Stopp: ein führender Unterwäschehersteller im Veneto. Hier erfährt man, dass der Regierungschef unter der Anzughose Intimissimi trägt, die modischste der drei Konzernmarken. "Ihr könnt mir aufs Wort glauben, ich erspare euch den Anblick", sagt er keck. Der Lokalpresse gefällt sein Italiener-Stolz.

Weiter ging es nach Verona zur 50. Ausgabe von Vinitaly, der weltweit größten Weinmesse des größten Weinerzeugerlandes. Auf der superlativen Vinitaly sagt Renzi laut, was natürlich die Italiener längst wussten: "Der italienische Wein ist besser als der französische". Zwei Tage später die nächste Etappe: Il Salone, wie Designliebhaber die Mailänder Möbelmesse kennerhaft nennen. Sechs Tage Party, auf der Mailand die Handwerker, die Kreativität und sich selbst feiert. Die Hotelzimmer sind zu 98 Prozent belegt, die Vermieter des Übernachtungsportals AirBnB sahnen ab. Im post-industriellen Distrikt Tortona, wo Luxuslabel für die Großinstallationen ihrer Designer 260 Euro pro Quadratmeter zahlen, blieb kein Fleck unvermietet. Hinter dem Chaos, hinter Glamour und Aufgeregtheit verliert Renzi nicht die Bedeutung der Möbelindustrie aus dem Auge. Die Branche setzt 24 Milliarden Euro um, doziert er: "Italiens wahre Reform wäre es aufzuhören, schlecht über Italien zu reden".

Vino in Verona und Möbel in Mailand - für die begehrte Marke Italien geht die heißeste Woche des Jahres dem Ende entgegen. Zurück in Rom fällt es aber schwer, sich das Schlechtreden zu verkneifen. Gerade hat der Zwangsverwalter der Hauptstadt eine "task force" eingesetzt, um der Rattenplage Herr zu werden. Das Sonderkommando wird mit einem drei Seiten langen Maßnahmenkatalog in den Kampf geschickt.

Leider muss man auch sagen, dass sie nicht die ärgste Sorge des Kommissars sind. Andere "Nager" nämlich knabbern trotz des angelaufenen Gerichtsprozesses gegen die "Mafia Capitale", die römische Mafia, weiter am Geld der Stadt. Die Ermittlungen haben bislang keine abschreckende Wirkung auf korrupte Machenschaften gehabt, stellte die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft fest. So schicken sich die Römer mit ihren zwölf Milliarden Euro Altschulden nun an, am 21. April den 2769. Geburtstag ihrer Stadt zu feiern. Mit Feuerwerk und freiem Eintritt ins Museum. Auch das bildet.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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