Bei uns in Rom:Helden der Politik

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Batman gegen Super Woman: Wie Lega-Chef Matteo Salvini und Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi (Cinque Stelle) um Geld und Wählerstimmen rangeln.

Von Ulrike Sauer

In Rom legt man Wert auf Einzigartigkeit. Wie das so ist, wenn man seit 2500 Jahren im Blickpunkt der Welt steht. Da sind die Tempel, Thermen und Foren, da sind die Katakomben, Kirchen und Paläste, da sind die Kaiser und Päpste, da sind Michelangelo und Caravaggio. Und da sind die 28 Stufen der ergreifendsten Stiege der Christenheit.

Gerade zieht die Heilige Treppe besonders viele Menschen an. Morgens um neun reicht die Schlange vor der Kapelle Sancta Sanctorum gegenüber vom Lateranpalast schon bis zur Bushaltestelle. Die Marmorstufen, so ist es überliefert, stammen aus dem Palast des römischen Statthalters von Judäa, Pontius Pilatus. Über sie soll Jesus zu seinem Richter gegangen sein, bevor er sein Todesurteil empfing. Der Marmor aber war bereits vor 300 Jahren so abgenutzt, dass Papst Innozenz XIII. die Stufen 1723 mit Nussbaum verkleiden ließ. Seither bekam die originalen Treppen niemand mehr zu Gesicht. Bis zum Glück eine Restaurierung der von Holzwürmern zerfressenen Dielen nötig wurde. So können die Gläubigen ihre Knie nun ausnahmsweise wieder auf den kühlen Marmor setzen.

Auch weltlich bietet Rom derzeit Außergewöhnliches: Die Superhelden sind jetzt unter uns. In den Schlagabtausch zwischen den innig zerstrittenen Koalitionspartnern Lega und Cinque Stelle griff am Dienstag die Bürgermeisterin Virginia Raggi ein. "Wenn Salvini Batman ist, weil er uns 136 neue Polizisten geschickt hat, bin ich Wonder Woman, weil ich 1000 Ordnungshüter eingestellt habe", sagte die strauchelnde Cinque-Stelle-Politikerin. Schon seit Tagen hackt der Lega-Chef Matteo Salvini auf ihr und ihrer unfassbar verwahrlosten Stadt herum. Einzigartig ist Rom ja, wie hinlänglich bekannt, im Guten wie im Schlechten. Aber darum geht es natürlich gar nicht. Es geht Salvini um Wählerstimmen. Und es geht ums Geld, um viel Geld. Die gemeinsame Koalitionsregierung hat vor zwei Wochen in einem Eildekret zur Wachstumsförderung eine Klausel verabschiedet, die Roms zwölf Milliarden Euro Schulden auf den Staat und damit auf die italienischen Steuerzahler abwälzt. Als hätten die nicht schon genug zu schultern. Salvini schnaubt: Das Geld für Rom? Das können sie vergessen. Und so hängt das Eilgesetz seitdem in den Amtsstuben fest. Aber was kümmert das Batman oder Wonder Woman? In den römischen Passionsspielen ist es längst Tradition, Italiens Wirtschaftswachstum von Pontius zu Pilatus zu schicken.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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