Bei uns in Rom:Einstürzende Rolltreppen

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Zentrale U-Bahnstationen in Rom sind seit fast einem Jahr gesperrt. Die Hauptstadt wird zur Schande des Landes.

Von Ulrike Sauer

Sieht man vom Häuflein stoischer Fans der römischen Bürgermeisterin ab, sind sich die Italiener ausnahmsweise mal in einem Punkt einig: Die Hauptstadt ist eine Schande. Der Dreck, der Müll, die zerlöcherten Straßen, die Invasion der Kanalratten, die Reglosigkeit der Verwaltung. Man kennt die Litanei.

Nun aber hat der nationale Makel ein neues Symbol. Es befindet sich, nomen est omen, an der Piazza della Repubblica. Oder genauer gesagt: unter dem Platz mit dem großartigen Nixenbrunnen in der Mitte. Am 23. Oktober brach dort eine Rolltreppe ein, die zum U-Bahn-Steig der Linie A führt. Sie raste voll besetzt in die Tiefe. Die Station Repubblica ist jetzt geschlossen. Und das schon seit 213 Tagen, an denen es nicht gelang, die Treppe wieder flott zu kriegen. Mangels Kundschaft mussten über der Erde viele kleine Läden in der Nähe der schönen Nixen dichtmachen. Frühestens im September sollen die Stufen wieder rollen. Knapp ein Jahr für die Reparatur unverzichtbarer Infrastruktur? Das empfinden selbst die abgebrühten Römer als Skandal.

Doch damit hat sich die Sache bei Weitem nicht: Auf mysteriöse Weise kollabierten in einer Art Domino-Effekt, eine nach der anderen, die Rolltreppen an den folgenden Haltestellen: Piazza Barberini und Piazza di Spagna. Die Stationen wurden ebenfalls gesperrt. Ergebnis: Die verstopfte Altstadt Roms, in der das politische Herz Italiens schlägt und sich Touristen auf die Füße treten, ist vom Untergrundnetz abgeschnitten. Überall schließen Lokale, Kinos veröden, Boutiquen entlassen Personal.

Es schaltete sich sogar die nationale Antikorruptionsbehörde Anac ein, um der Sache auf den Grund zu gehen. Ziemlich suspekt ist, dass der Wartungsauftrag für die Rolltreppen 2017 einer Firma erteilt wurde, die den Ausschreibungswert um 49,5 Prozent unterboten hatte. Sie behalf sich bei der Reparatur dafür mit Klammern, die jeder Heimwerker im Eisenwarenladen für ein paar Euro kaufen kann.

Worüber man nun in Rom staunt, ist ein Anflug von Scham. Das Chaos bei den Verkehrsbetrieben spiegelt das Versagen der populistischen Partei Cinque Stelle wider, die seit drei Jahren mit absoluter Mehrheit regiert. Als kürzlich die Haltestelle Piazza di Spagna wieder eröffnet wurde, postete der Stadtrat Nello Angelucci die Nachricht auf Facebook. Zur Illustration wählte er ein Foto von der schicken U-Bahn-Station Villa San Giovanni - in Mailand. Der Anblick der verwahrlosten Haltestellen im römischen Zentrum, einst Nabel der Welt und nun Weltkulturerbe, war dem Cinque-Stelle-Mann offenbar peinlich. Das immerhin ist neu.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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