Bei uns in Peking:Sommer ist, wenn man trotzdem friert

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In China redet keiner über die deutsche Dürre. Warum auch? Hier ist es draußen auch brüllend heiß - und drinnen meistens klirrend kalt.

Von Christoph Giesen

Reden wir über das Wetter: Die Hitzewelle in Europa ist zu Hause das Thema des Sommers. Waldbrände, Klimawandel, Sonnenstich. Aber in Peking? Bekommt man davon nicht viel mit. In den chinesischen Zeitungen wird einfach nicht darüber berichtet, dass man nun auch in Deutschland schwitzt, dass im Fernsehen Sondersendungen ausgestrahlt werden, in denen dazu geraten wird, genug zu trinken, und dass selbst im kühlen London der sonst akkurat manikürte Rasen im Regent's Park einfach nicht mehr da ist. Verdörrt.

Überall Braun statt Grün. In Peking aber interessiert das kaum jemanden. Wieso auch? Die Stadt mag zwar gerade erst den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele bekommen haben - und ja, im Januar und Februar wird es schon mal richtig frisch, minus 20 Grad und kälter. Im Sommer aber ist es in Peking fast noch unangenehmer. 40 Grad im Juli und August, das kommt regelmäßig vor. Der letzte Tag mit Temperaturen unter 30 Grad, der ist lange her. In den Büros surren schon seit Wochen die Klimaanlagen, dichter Smog liegt über der Stadt, die Kohlekraftwerke im Speckgürtel rödeln am Limit, damit es genug Strom gibt, um sämtliche Räume angemessen arktisch herunterzukühlen.

Faustregel für Neulinge: An den Fensterscheiben sollte mindestens das Kondenswasser runterlaufen, sonst erfüllt man den erwarteten Standard nicht. In Peking wird, wie in Asien üblich, gerne auf 15 Grad, 16 Grad abgesenkt. Wer dann ins Kino will, sollte unbedingt einen Pullover mitnehmen. Betritt man verschwitzt ein Einkaufszentrum, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis die erste Sommererkältung sich meldet. In den ebenfalls sehr ambitioniert temperierten U-Bahnen und Bussen der Stadt sieht man dieser Tage jedenfalls den einen oder anderen Pekinger verstohlen die Nase hochziehen. Sich öffentlich schnäuzen, das ist nicht schicklich.

Die Einzigen, die wirklich mit Stil der Hitze trotzen, sind die alten Männer Pekings. In den noch verbliebenen Gassen der Stadt, den Hutong, sitzen sie im Schatten der Bäume, trinken Tee, spielen Mahjong und haben die Unterhemden bis fast unter die Achsel hochgerollt. Wie einen Bikini. Ab und an klopfen sie sich auf ihre stattlichen Bäuche. Nur die Ruhe, der Sommer geht vorbei.

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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