Bei uns in Peking:So viele Räder

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Auf den Bürgersteigen tobt ein Start-up-Krieg. Alle paar Meter stehen jetzt Leihfahrräder, Füßgänger laufen im Zickzack. Lässt sich damit wirklich Geld verdienen?

Von Christoph Giesen

Auf Pekings Bürgersteigen tobt ein Start-up-Krieg. Alle paar Meter stehen jetzt Leihfahrräder. An belebten Kreuzungen sind es manchmal ganze Fuhrparks. 100 Stück und mehr, das ist beileibe keine Seltenheit. Als Fußgänger muss man Zickzack laufen, weil überall herrenlose Fahrräder im Weg stehen.

Begonnen hat das Ganze vor ein paar Wochen. Erst waren da die gelben Räder, dann die silbernen, auf einmal blaue und jetzt auch noch türkise, allmählich kann man fast den Überblick verlieren. Gut ein halbes Dutzend Anbieter stellen inzwischen Fahrräder auf. Sie heißen ofo, Mobike oder Bluegogo. Der Nutzer registriert sich online, mit dem Smartphone scannt er dann einen Code am Schutzblech und bekommt die Nummer für das Zahlenschloss übermittelt. Derzeit zahlt man so gut wie nichts. Manchmal bekommt man oft sogar noch Geld gutgeschrieben - so erbittert ist der Kampf.

Einst war China das Land der Radfahrer. Fast jeder radelte. "Phönix" oder "fliegende Taube", so hießen die Modelle aus staatlicher Produktion. Sie hatten Nummernschilder und ganz wichtig: eine mächtige Klingel. Wer noch in den Neunzigerjahren in Peking eine Straße überqueren wollte, musste irgendwie den Radler-Strom durchbrechen. Das kommt nun wieder. Genutzt werden die Räder vor allem für die letzten ein, zwei Kilometer. Wenn die Taxis und Busse mal wieder im Stau stecken und die nächste U-Bahn-Station nicht in Sicht ist. Denn: In keiner Stadt der Welt wird länger gependelt als in Peking. Derzeit sind es jeden Tag 105 Minuten. Die U-Bahnen sind so voll, dass man unmöglich sein eigenes Fahrrad aus einem der Außenbezirke ins Zentrum mitnehmen kann.

Doch lässt sich mit dem Verleih von Fahrädern wirklich Geld verdienen? Bislang nicht. Und mittelfristig? Auch das ist kaum vorstellbar. Allerdings sammeln die Verleiher eifrig Daten. Von wo bis wo ist man gefahren? Wie lange sitzt man auf dem Sattel? Wie oft nimmt man die dieselbe Route? Und schon bekommt man Werbung für ein Restaurant in der Nähe oder ein Fitnesscenter aufs Handy geschickt.

Ein Weilchen wird der Rad-Irrsinn in Chinas Großstädten wohl noch anhalten: Finanzkräftige Investoren haben sich eingekauft. Zum Beispiel der iPhone-Hersteller Foxconn oder der Internetkonzern Tencent. Letzterer war auch an der großen Start-up-Schlacht vor einem Jahr beteiligt. Damals duellierten sich die beiden Fahrdienstvermittler Didi und Uber. Die Preise waren lächerlich gering. Am Ende gab Uber sich geschlagen - eine Milliarde Dollar war futsch.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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