Bei uns in Florenz:Vulgäre Sitten, geniales Marketing

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Schon mal von Cosimo III. de' Medici gehört? Richtig, diesem religiösen Fanatiker, der seine französische Gattin wegsperrte. Es ist Zeit, eine Lanze für ihn zu brechen, den Spross aus dem einst reichsten Clan Europas.

Von Ulrike Sauer

Schon mal von Cosimo III. de' Medici gehört? Richtig, diesem religiösen Fanatiker, der seine französische Gattin wegsperrte. Der berüchtigt war für seine vulgären Sitten, für seinen Stumpfsinn und Pietismus. Es ist an der Zeit, eine Lanze für den späten, übel beleumundeten Spross aus dem einst reichsten Clan Europas zu brechen. Nicht für einen Bankier, um Himmels Willen. Das geht heutzutage gar nicht. Erst recht nicht hier, in der Toskana. Wo ja in Siena leichtfertige Manager die älteste Bank der Welt ruiniert haben. Der Banco dei Medici, das Geldhaus der Florentiner Dynastie, fiel schon 1494, lange vor der Geburt des Großherzogs Cosimo, der Insolvenz anheim.

Nein, das Lob gilt dem Wegbereiter des heute weithin geschätzten roten Chianti Classico. Der Ort der Rehabilitation Cosimos ist passend gewählt: Sie vollzieht sich im Saal der Fünfhundert im zinnenbewehrten Palazzo Vecchio, wo die Machthaber der Republik Florenz einst zu ihren Versammlungen zusammentrafen und von wo aus viel später Bürgermeister Matteo Renzi an die Regierung in Rom drängte. An diesem sonnigen Herbstmorgen gedenkt man unter den Vasari-Fresken dem Edikt, mit dem der Großherzog am 23. September 1716 den Winzern den Weg auf den globalen Markt ebnete. Er legte in seinem Erlass die Grenzen des Chianti in den Hügeln zwischen Florenz und Siena fest. So entstand vor 300 Jahren das erste geschützte Weinanbaugebiet der Welt. Cosimo nahm vorweg, was heute eine goldene Regel der Winzerzunft ist: der Kult des Terroirs.

Wie aber kommt Cosimo zu dem brillanten Einfall? Wegen der Krise, sagt der Historiker Zeffiro Ciuffoletti. Weil die Toskana keine Seide und Wolle mehr exportieren kann, investiert man in die Landwirtschaft. Als der Großherzog 1670 den Thron besteigt, verkauft sein Land im Jahr 100 Fässer Wein an England, den größten Importeur. Der Handel mit dem Luxusgut Wein befindet sich im Aufschwung, es entbrennt ein internationaler Wettbewerb. Doch 20 Jahre später war es bei 100 Fässern geblieben. Cosimo nimmt den Kampf gegen Fälscher des toskanischen Rebensafts auf und verbietet die Ausfuhr von Wein, der nicht aus dem geschützten Gebiet stammt. Genützt hat es nicht viel. Den Niedergang des Granducato hielt der Großherzog vor 300 Jahren nicht auf.

Erst in jüngerer Zeit schlagen sich Italiens Winzer beim Export ganz passabel. 2015 verkauften sie im Ausland Wein für 5,4 Milliarden Euro. Und die 600 Kellereien des Chianti Classico schmücken sich nun gerne mit der Pioniertat des letzten Medici.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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