"Befürchtete Inzuchtlösung":FDP fordert Ablösung von BA-Chef Weise

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Der Eklat um die Kostenexplosion bei der Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschäftigt zunehmend die Politik. Während sich CDU und SPD hinter Behördenchef Weise stellen, forderte die FDP nun erstmals dessen Ablösung. Seine Berufung sei nicht der erhoffte Neuanfang gewesen.

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Rainer Brüderle sagte der Berliner Zeitung, angesichts der Kostenexplosion bei der Internet-Jobbörse "kann es nicht sein, dass die Indianer gehen müssen und die Häuptlinge bleiben".

Wer wusste wann was? Behörden-Chef Frank-Jürgen Weise und Vorstandsmitglied Heinrich Alt. (Foto: Beide Fotos: AP)

Weise und seinem BA-Vorstandskollegen Heinrich Alt wird vorgehalten, bereits im August 2003 von den hohen Mehrkosten gewusst, die nötigen Konsequenzen aber nicht gezogen zu haben.

Beide dementierten jedoch, vor Dezember über das Finanzloch informiert worden zu sein. Weise wies darüber hinaus ausdrücklich auf die Zuständigkeit Alts hin.

Ermittlungen wegen Untreue

Der Projektleiter der Online-Jobbörse, Jürgen Koch, war kürzlich entlassen worden, weil die Kosten für den Aufbau des Internet-Portals von geplanten 65 Millionen auf 165 Millionen Euro zu steigen drohen. Die Nürnberger Staatsanwaltschaft ermittelt darüber hinaus seit vergangener Woche wegen Untreue.

Brüderle sagte der Zeitung, als früherer Stellvertreter des wegen undurchsichtiger Beraterverträge entlassenen BA-Präsidenten Florian Gerster sei Weise "die erwartete Fehlbesetzung". Seine Berufung sei kein Neuanfang für die Bundesagentur gewesen, sondern "die befürchtete Inzuchtlösung".

Auch in Verwaltungsratskreisen der Nürnberger Behörde wird laut Berliner Zeitung daran gezweifelt, dass Weise und Alt erst so spät informiert worden sein wollen. In dem Aufsichtsgremium seien regelmäßig Fragen zur Entwicklung des im Aufbau befindlichen virtuellen Arbeitsmarktes gestellt worden.

"Insgesamt vermittelte der Vorstand... den Eindruck, dass alles im grünen Bereich liege", zitierte das Blatt die nicht näher bezeichneten Verwaltungsratskreise.

Aufsichtspflichten

Indessen bezweifelte der FDP-Bundestagsabgeordnete Dirk Niebel, dass der BA-Verwaltungsrat seiner Aufsichtspflicht in erforderlichem Umfang nachgekommen ist.

Der Tageszeitung Die Welt sagte er, das Gremium habe versagt, weil es früher hätte erkennen müssen, wie sich die Kosten entwickeln.

SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner und die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Thea Dückert, forderten Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auf, den Finanzskandal aufzuklären und das Parlament zu informieren.

Weise und Alt vor Wirtschaftsausschuss

Clement wird am (morgigen) Mittwoch zusammen mit Weise und Alt an der Sitzung des Bundestagswirtschaftsausschusses teilnehmen. Das Wirtschaftsministerium unterstrich erneut, dass Weise das Vertrauen Clements habe.

Bereits am Montag hatte der Verwaltungsrat den BA-Vorstand aufgefordert, die Vorwürfe bis kommenden Freitag zu klären. Der dem Verwaltungsrats angehörende bayerische Staatssekretär Jürgen Heike sagte den Nürnberger Nachrichten, sollte Alt schon im August gewusst haben, dass die tatsächlichen Kosten weit über den geplanten Ausgaben liegen, "wäre das eine böse Sache von Heinrich Alt".

CDU stellt sich hinter Weise

Wie bereits zuvor Wirtschaftsminister Clement stellte sich die CDU allerdings hinter Weise. Der Unions-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann sagte im RBB-Inforadio, dass die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem drastischen Kostenanstieg zunächst geprüft werden müssten. Erst wenn nach objektiver Prüfung transparent werde, wer die Verantwortung für diese "Riesen-Sauerei" trägt, könne auch über Konsequenzen nachgedacht werden.

Interessant zu wissen wäre, wer für den gewaltigen finanziellen Schaden aufkommt, sagte Laumann. Er habe den Eindruck, dass sich Weise "sehr um Aufklärung bemüht", betonte Laumann und fügte hinzu: "Wir gehen erstmal davon aus, dass er einen guten Job macht."

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