Bayerischer Expansionsdrang:Hanseatische Empfindlichkeiten

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Die geplante Zerschlagung und Eingliederung der hanseatischen Vereins- und Westbank in die Münchner HypoVereinsbank verstört die Norddeutschen. Sie fürchten, dass die Kunden abwandern, wenn die liebenswerte Regionalbank von der Landkarte verschwindet.

Aktionäre, Kunden und Mitarbeiter der traditionsreichen norddeutschen Regionalbank bezweifeln die Weisheit der Münchner Konzernmutter und ihres Chefs Dieter Rampl.

"Die ganze Aktion ist doch gar nicht durchdacht, sondern nur für die Galerie", schimpft ein Börsenexperte. "Damit sollen nur die Aktienanalysten beeindruckt werden." Im nächsten Jahr soll die Bank kurz vor ihrem 150. Geburtstag von der Landkarte verschwinden.

"Kunden im Norden liegen uns sehr am Herzen"

Rampl hatte die vorgesehene Fusion Ende Juli mit dem Argument begründet, dass die HypoVereinsbank damit ihren Marktauftritt in Deutschland stärken und ihre Vertriebschancen verbessern könne. "Unsere zahlreichen Kundenbeziehungen im Norden liegen uns sehr am Herzen", sagte er. "Wir wollen aber auch neue Marktanteile hinzu gewinnen."

Genau dieses Argument können die norddeutschen Banker nicht verstehen. "Viele unserer Kunden sind gerade deshalb bei uns, weil sie eben nicht zu einer Großbank gehen wollen", sagt ein Vorstand. Die Vereins- und Westbank pflegt seit Jahrzehnten ihr Profil als norddeutsche Regionalbank und setzt auf enge Verbundenheit mit der Region.

Treue Aktionäre

Auch die Stimmung bei den freien Aktionären, die etwa elf Prozent der Anteile halten, ist nicht pro HypoVereinsbank. Die Vereins- und Westbank ist selbst aus zahllosen Fusionen kleinerer Banken in den ländlichen Räumen Schleswig-Holsteins hervorgegangen und hat besonders treue Aktionäre, die sich dem Unternehmen eng verbunden fühlen. Nach einem gängigen Spruch werde die Aktien nicht verkauft, sondern nur vererbt.

"Viele Aktionäre würden am liebsten die Aktien der Vereins- und Westbank behalten", sagt Dirk Unrau von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Doch die Aktionäre haben keine Chance. Die Pläne der HypoVereinsbank sehen eine Verschmelzung vor, zu der die Hauptversammlungen beider Banken im nächsten Frühjahr ihre Zustimmung geben müssen. Das ist gesichert. Die Aktionäre bekommen kein Geld, sondern Aktien der HypoVereinsbank. Das genaue Verhältnis regelt der Verschmelzungsvertrag.

Stellenabbau

Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften sind ohnehin gegen Rampls Pläne, weil der Abbau von mehreren hundert Stellen im Norden wohl kaum zu vermeiden wäre. Zwischen 500 bis 900 der rund 4.500 Mitarbeiter könnten nach Schätzungen ihren Job verlieren.

Diese Zahlen sind bislang nicht mehr als Gerüchte: Noch haben die Arbeitsgruppen nicht getagt, die über die konkrete Zusammenfügung der beiden Institute beraten sollen. Bankchef Stephan Schüller hat jedoch angekündigt, dass es künftig eine Süd- und eine Nordorganisation innerhalb des Konzerns geben soll.

Aderlass

Mit der möglichen Integration setzt sich der Aderlass der Hamburger Wirtschaft in den vergangenen Jahren fort. Verloren gingen der Hansestadt die Unternehmenszentralen von Universal, HEW, BP, Mobil, Hamburger Gaswerke, Albingia Versicherung, Reemtsma und zahllosen Internet-Firmen.

Auf der Kippe stehen neben der Vereins- und Westbank auch Holsten und Beiersdorf. Auch die Verbände der Phonographischen Wirtschaft und der Ring Deutscher Makler sind weg.

Vor diesem Hintergrund verblüffte Hamburger Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) mit einer positiven Einschätzung der geplanten Integration: "Das kommt letztlich der Wirtschaft im Norden zugute."

Sein Freund und Kollege Gunnar Uldall (CDU) aus der Wirtschaftsbehörde sieht das ganz anders: "Das ist sehr zu bedauern, aber die Politik kann solche Entwicklungen nicht beeinflussen." Als wirtschaftsfreundlicher Standort sei Hamburg immer daran interessiert, den Hauptsitz von Unternehmen in der Stadt zu halten und neue Konzernzentralen dazu zu gewinnen.

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